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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Volkshelden Adham al-Scharkâwi 51 besungen, obwohl dieser zu Lebzeiten als Mörder verschrien war und brutal getötet wurde. Und in der Zukunft würde ein einzigartiger Sänger ihren Vater rühmen. Sanâa war überzeugt, dass ihm irgendwann Gerechtigkeit widerfahren würde. Knechte, und du wirst geknechtet! Diese niederträchtige Nabawîja, die ihre Mutter war, hatte sich Alîsch Sedra, einen miesen Handlanger ihres Vaters, als Liebhaber angelacht. Gemeinsamhatten sie Saîd beim Innenministerium verpfiffen. Er war ins Gefängnis gesperrt worden, und Nabawîja hatte Alîsch geheiratet. Die Geschichte nahm ihren Lauf. Alîsch riss sich Saîd Mahrâns ganzes Vermögen unter den Nagel, betrog Nabawîja mit einer anderen Frau und machte sich hechelnd wie eine Hyäne auf die Suche nach einem neuen Kadaver. Nabawîja gestand der Tochter ihren Fehler ein. Als sie zufällig von einem Überfall erfuhr, den Alîsch gerade plante, verriet sie ihn – wie zuvor ihren Mann. Doch er entwischte der Polizei und kam wutschnaubend zu ihr zurück. Der Moment der heiligen Rache folgte. Alîsch fiel in der Küche über Nabawîja her, schlug und bespuckte sie. Da rammte sie dem Lumpen ein Messer ins Herz und beförderte seine Seele ins ewige Feuer. Bald darauf erwartete sie der Henker mit offenen Armen.
    W arum erinnerte sich Sanâa plötzlich an all das, ausgerechnet jetzt, da sie in einer trostlosen Zelle hockte, zusammen mit zwei Russinnen, einer Philippinerin und einer Marokkanerin? Meldete sich die Erinnerung etwa, weil die Russinnen ihr den Rücken zugewandt hatten und sich in einem fort unterhielten? Sanâa versuchte, die Marokkanerin anzusprechen, die Einzige, mit der sie sich hätte verständigen können. Doch die hatte weiss Gott wie viele Tabletten geschluckt und war in einen tiefen Schlaf gefallen, aus dem sie nur ein paarmal hochschreckte. Die Philippinerin schwieg beharrlich, als vollziehe sie das Ritual einer geheimnisvollen Religion, die das Schweigen heiligte. Indessen kaute Sanâa in der Zelle langsam an ihrer Einsamkeit und vergegenwärtigte sich dabei jeden einzelnen Moment ihres Lebens.
    D iese verfluchte Darja, möge sie Gottes Zorn treffen! Sie ist an allem schuld, wegen ihr sitze ich jetzt im Schlamassel.
    Kennengelernt hatte ich sie bei einer Bootsfahrt auf dem Nil. Ich war dort mit einem Kunden und sie mit dem Bootsbesitzer. Sie hatte auf Anhieb einen Narren an mir gefressen und mir ihre Nummer gegeben.
    Ich rief sie erst zwei Wochen später an, schliesslich soll man ja nichts überstürzen. »Hier ist Sanâa, wir haben uns …«, setzte ich an, doch sie fiel mir gleich ins Wort: »Klar erinnere ich mich an dich, meine Liebe. Du bist sehr hübsch, dich vergisst man nicht so leicht.« Sie sprach fliessend Arabisch, als sei sie hier geboren. Dabei lebte sie erst seit fünf Jahren in Kairo. Wie sie das hinbekommen hat? Keine Ahnung, sie ist eben eine durch und durch aufgeweckte Frau.
    Dann stellte sich heraus, dass es in al-Maâdi eine Physiotherapiepraxis gab, die sich nach Feierabend in einen Salon für spezielle Massagen verwandelte, für die Darja zuständig war. Sie führte die Verhandlungen mit den Kunden und teilte ihnen die jeweils passende Masseurin zu. Deren Arbeit sah wie folgt aus: Sie zog den Herrn aus, richtete ihm ein Bad und rieb ihn mit grünen und schwarzen Kräutern ab, wobei sie ihn mit besonderen Handschuhen massierte. Nach einer Weile spülte sie die Substanzen von der Haut und walkte – nun mit blossen Fingern – den Körper behutsam durch. Anschliessend führte sie den Kunden in einen Raum und massierte ihn mit Ölen, die sie aus dem Ausland mitgebracht hatte. Die Massage allein dauerte schon eine ganze Stunde. In dem Salon waren ausschliesslich Russinnen tätig. Weil einige Kunden aber nach der Massage eine ägyptische Sonderbehandlung wünschten, bot mir Darja die Mitarbeit an.
    Fünf Minuten vor Ende schickte sie mich jeweils zu dem Mann hinein. Es dauerte höchstens zehn Minuten, und ich war fertig.Man kann mit Recht sagen, dass Darja mir im Leben einen neuen Weg eröffnete. Ich war sehr beliebt, und die Kunden verlangten auch ausserhalb nach meinen Diensten. Anfangs war ich unschlüssig, ob ich Darja mit ins Boot holen sollte, aber dann entschied ich mich dafür. Ich weihte sie in alles genauestens ein. Sollte sie doch auch etwas davon haben, schliesslich verdankte ich die Kunden ja ihr. Schau nicht auf die Füsse, Mädchen, sagte ich mir, sondern richte den Blick nach vorn! Was

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