Arche Noah | Roman aus Ägypten
behalten. Der arme Kerl kriegt nicht einmal mehr sein eigen Fleisch und Blut zu Gesicht. Jede Menge Beispiele gibt es. Ich weiss von keiner Ehe mit einer Europäerin, die gutgegangen ist.
Ehrlich gesagt, ist das Leben dort grauenhaft. Wenn dort einer in seiner Wohnung stirbt, fällt es niemandem auf, weil keiner sichum den anderen schert. Schreckliche Verhältnisse sind das! Hier dagegen kümmern wir uns noch umeinander. Wer dort lebt, keine Papiere hat und die Sprache nicht beherrscht, ist geliefert.
Als ich ein hübsches Sümmchen zusammenhatte, kam ich zum Heiraten zurück. Hier habe ich dann in etliche Projekte investiert und mein gesamtes Geld verloren. Die Regierung bekämpft uns ja auch mit allen Mitteln, die Bauern sind ihr völlig egal. Na ja, wie es aussieht, werde ich wohl bald wieder ausrücken. Oder was meinst du, lieber Mabrûk?
K lar wirst du das, aber diesmal geht’s nach Amerika, dafür werde ich sorgen, und Hagg Abdalasîs wird auch seinen Beitrag dazu leisten.
Da kommt unser Kebab ja endlich! Na dann mal guten Appetit, haut rein, Leute! Brot und Kebab Ihnen zu Ehren, werte Dame. Hagg Abdalasîs, du auch, bitte, bedien dich, iss! Nein, nicht doch, dass du den Teller stehenlässt, kommt überhaupt nicht in Frage, schliesslich bringst du, lieber Hagg, allen immer Glück und Segen. Ausserdem wirst du uns mit Hilfe deiner Nichte, der bedeutenden Anwältin Hâgar, den Weg nach Amerika ebnen. Ach, da kommt ja auch der Tee. Lasst uns trinken, auf Ihr Wohl, werte Dame!
H agg Abdalasîs gestikulierte mehr, als dass er sprach. al-Minufîja erstrahlt im Licht. Was für ein schöner Garten, und das Haus erst! Zum ersten Mal sind wir auf Mabrûks Anwesen zu Gast. Sonst sieht man ihn immer nur in seiner Wohnung in Talâ. Ich kenne ihn, er fürchtet sich vor Neidern. Er hat Angst, dass wir seinen Mangobäumen mit dem bösen Blick die Gelbsucht anhexen könnten und dann eine Katastrophe über ihn hereinbricht. Hör zu, lieber Mabrûk, in der Sache mit Amerika kann ich nichts machen.Ich habe dir Hâgars Festnetznummer und die von ihrem Handy gegeben. Du hast mit ihr gesprochen, und jetzt liegt es an euch, regelt das untereinander. Aber wie ich dich kenne, wirst du eh nicht lockerlassen, schliesslich stehst du dauernd unter Strom, sonst wärst du ja nicht so viel auf Achse.
Erinnert ihr euch noch an Kissingers Pendeldiplomatie? Genauso ist es mit Mabrûk, immer auf dem Sprung und die Beine unterm Arm! Kaum erwacht er morgens, nimmt er Reissaus, um seine Alte nicht sehen zu müssen. Das ist auch das einzig Gute an der Ehe, die grosse Flucht bringt ganze Nationen voran.
– Ja, du hast recht, lieber Hagg Abdalasîs. Die Sache ist die: Bei meinem Umzug vor drei Jahren habe ich mich an den weisen Rat gehalten: »Ist der Nachbar dir genehm, wird’s im neuen Heim bequem. Ist er aber roh und dumm, schau dich anderweitig um.« Ich sah Abdalasîs und fand, dass er der ideale Nachbar war. Entweder ihn nebenan oder keinen, dachte ich und nahm die Wohnung. Seither leben wir Tür an Tür, und er ist für mich Bruder und Freund. Unseren Frauen geht es ebenso, sie hängen aneinander wie Schwestern. Sein Bruder ist ein berühmter Universitätsprofessor, ein bedeutender Mann, der was hermacht. Er hat eine Tochter, auf die kann er stolz sein! Sie hat in Amerika geheiratet und lebt jetzt in New Jersey. Komm, Bruder, habe ich zu ihm gesagt, lass uns nach Amerika gehen, statt hier im Sumpf zu waten. Mit Amerika hatte ich bisher noch nichts zu schaffen, Europa ist mein eigentliches Spezialgebiet, und später kam der Golf hinzu. Na, und inzwischen habe ich mit Gottes Hilfe ganz auf Kuwait und die Emirate umgesattelt. Zum einen kommt man problemlos hin, zum anderen gibt’s da Lohn, Brot und Kuchen. Natürlich verdient man dort wesentlich weniger als in Europa, aber zumindest ist die Reise dahin nicht lebensgefährlich.
Ich habe Frau Hâgar ein paarmal angerufen, aber sie war zuerst nicht besonders freundlich. Sie steckte in Schwierigkeiten und hatte viel um die Ohren. Möge Gott ihr beistehen! Beim letzten Telefonat vor zwei Tagen sagte sie, dass ihr ungehobelter Mann sie schlage. Sie habe ihn ein-, zweimal bei der Polizei angezeigt. Am Ende sei sie vor Gericht gezogen. Sie habe den Prozess gewonnen und die Scheidung eingereicht.
Sie werde mich demnächst um einen Gefallen bitten, kündigte sie an, und wenn alles wunschgemäss klappt, könne ich auf ihre Hilfe zählen. Keine Stunde später klingelte mein Telefon. »Ich bin
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