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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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von der sie selbst allerdings kein Exemplar besass. Die Urkunde verriet, dass der Vater Saîd Mahrân hiess und von Beruf Pförtner war und dass der Name ihrer Mutter Nabawîja Sulaimân lautete. Andere Schriftstücke existierten nicht. Als al-Manûfi sie nach ihrem Ausweis fragte, antwortete sie erstaunt: »Was soll ich mich mit den Behörden herumschlagen? Von denen hält man sich besser fern.«
    al-Manûfi erfuhr nie, wie sie zu ihm gefunden geschweige denn von ihm erfahren hatte, zumal sie in Kairo lebte. Dieses Geheimnis bewahrte sie eisern.
    » D ieser al-Manûfi tut keinem je einen Gefallen«, hatten mich alle gewarnt. »Auch wenn du alles hergibst, ihm deine Schultern, Schenkel und Nieren auf dem Silbertablett servierst – bei dem erreichst du nichts. Nimm dich in Acht, Sanâa! Leg dich für den nicht krumm, der hilft dir hier nicht raus! Der Kerl schlachtet dich höchstens aus und lässt dich dann wimmernd am Boden liegen.«
    Doch ich war anderer Meinung, ich musste es wagen. Wer nichts wagt, kommt nie vom Fleck. Ich weiss sehr gut, was ich tue. Auf die alten Pferde muss man setzen, die bringen’s! Mit den verschiedensten Sorten von Männern hatte ich es schon zu tun. Dabei ist mir eines klargeworden: Im Grunde sind sie alle gleich, ob sie nun aus al-Gharbîja, Alexandria oder Damanhûr kommen. Jeder trägt sein Wunderhorn vor sich her und fürchtet nichts mehr, als dass es eines Tages schlappmachen könnte. Das ist einfach so. Das Einzige, was die Herren unterscheidet, ist das Alter, denn jedes unterliegt eigenen Regeln.
    Mabrûk hatte ein Alter erreicht, in dem man ihn leicht lenken konnte. Ich verfuhr mit ihm, wie es mir Nûr, die meistens Schalabîja genannt wurde, geraten hatte. Sie hatte mir etwas Wesentliches beigebracht: »Ich sage dir eins, Sanâa, und schreib dir das hinter die Ohren«, hatte sie einmal zu mir gesagt. »Sei immer grosszügig, Mädchen. Gib den Männern alles, was du hast, bis zum letzten Schweisstropfen. Rede dir ein, dass du die Zeit mit ihnen geniesst. Freude und Traurigkeit kommen von innen, nicht von aussen. Grossmut ist ein Wesenszug der guten Menschen.Glaub mir, Mädchen, wenn du freigebig bist, wirst du von der Welt ebenso reich beschenkt.«
    Ihren Rat befolge ich seither treu. Nicht einen Moment lang habe ich gegenüber Mabrûk mit meinen Reizen gegeizt. Und er hat es mir doppelt und dreifach vergolten.
    D ie Mandelaugen, die vor Klugheit und Charme nur so sprühten, hatte Sanâa vom Vater geerbt, ebenso das schwarze Lockenhaar und die vielen Bücher. Diese hatte Nûr wie den Schatz des Ali Baba gehütet und – weil sie nicht lesen und schreiben konnte – mit einer Heiligkeit bedacht, die nur noch von ihrer Ehrfurcht vor dem Koran übertroffen wurde.
    Der Bücherstapel, verschnürt mit einem abgewetzten Band, war das Einzige, was Saîd Mahrân seiner Tochter hinterlassen hatte. So verschlang Sanâa die Werke, denn sie glaubte, darin das zu finden, was der Vater ihr nicht mehr persönlich hatte sagen können. Nach und nach aber liess sie von den meisten Büchern ab und entdeckte ihre Liebe für die Lyrik. Mit den Versen erwarb sie sich ein hervorragendes Gedächtnis. Kaum las sie ein Gedicht, nahm es, auch wenn sie kein Wort verstand, einen festen Platz im goldenen Poesieregal in ihrem kleinen Schädel ein. Es war, als erklinge in ihrer Seele eine bekannte Melodie. In dem Stapel befanden sich Gedichtbände von Salâch Schahîn 44 , Fuâd Haddâd 45 , Machmûd Bayram al-Tunisi, Omar Chayyâm 46 , Abu Nuwâs 47 und al-Mutanabbi 48 . Die meisten der Bücher trugenauf dem Vorsatzblatt einen rechteckigen hellblauen Stempel mit dem Namen Raûf Alwân 49 in maghrebinischer Schrift.
    Sanâa war stolz auf ihren Vater. Mit grosser Zärtlichkeit dachte sie jeden Tag an ihn und wünschte ihm »einen wunderschönen guten Morgen«. Wie hätte sie nicht auf ihn stolz sein können? Schliesslich hatte er mit seinem bissigen Humor und Scharfsinn das Innenministerium und die Geheimdienste wahnsinnig gemacht, so dass sie ihn gejagt hatten, bis ihnen schwindlig wurde. Damit, dass die Menschen sich massenhaft um ihn scharten, nur um dem Regime zu trotzen, hatte er den Herrschenden vorgeführt, wie nichtig und ohnmächtig sie waren. Zwar hatte er geraubt und getötet, doch was wirklich zählte, waren die guten Absichten. Er hatte geplant, über die vielen korrupten Funktionäre herzufallen und die skrupellosen Reichen zu bestehlen.
    In der Vergangenheit hatte Abdalhalîm Hâfis 50 den

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