Arche Noah | Roman aus Ägypten
Dummerchen. Achmad ist ein guter Kerl, ich mag ihn wirklichsehr. Wenn er sich in zehn Jahren gemacht hat, wird er der perfekte Ehemann für ein Mädel sein, das frisch von der Uni kommt. Das ist vernünftig. Er hat bestimmt vor, sich erst einmal etwas aufzubauen. Sehr vernünftig. Das zeigt mir, dass er es goldrichtig macht. Schliesslich mangelt es dem weiblichen Geschlecht, wie es heisst, an Verstand und Glauben.«
»Einverstanden, mein Lieber, wir überlassen euch das Denken. Dann zeigt mal, wie ihr ohne uns zurechtkommt!«
»Geht das überhaupt? Ohne euch sind wir doch hilflos. Jetzt erzähl noch einmal ganz in Ruhe, was passiert ist.«
»Lass gut sein, Mustafa. Ich habe es dir doch gerade erklärt. Er hat ihr eröffnet, dass er die Amerikanerin heiraten wird.«
»Gut, dann müssen wir sie jetzt von dem Bräutigam überzeugen, der morgen kommt.«
»Du Scheusal! Ich sage dir doch, ihre Augen sind rot wie Tomaten. Geh und überzeuge dich selbst.«
»Im Gegenteil, das ist jetzt der ideale Zeitpunkt. Die Stunde der Rache.«
A n jenem Abend führte Doktor Mustafa seine Tochter in die Bar Kasr al-Nil aus. Erst kurz zuvor hatte es zu regnen aufgehört. Die Strassen waren zu schwarzen Inseln in kleinen Seen und schlammigen Pfützen zusammengeschrumpft. Wie wilde Hasen hüpfend, legten die beiden den Weg zur Bar zurück. Am Eingang stand wie gewöhnlich der Buchverkäufer und beobachtete mit einem gewissen Mass an Impertinenz alle ein und aus gehenden Gäste.Seine auf dem Boden ausgebreiteten Bücher hatte er zum Schutz vor neuen Regengüssen mit einer grossen Plastikplane bedeckt. Er grüsste Hâgar mit einem kurzen Nicken. Wollte er sie auffordern, einen Blick auf seine Ware zu werfen? Oder glaubte er, Hâgar zu kennen? Schliesslich sah sie aus wie unzählige andere Frauen in Kairo. Hâgar schenkte ihm keine Beachtung. Doktor Mustafa merkte von all dem nichts. Er war in Gedanken versunken, grübelte, wie er sein Anliegen am besten vorbringen sollte. Auf der langen Treppe zum Nilufer hinunter schlug ihnen ein kalter Windstoss entgegen. Hâgar erschauerte. Die Kälte liess den Eisklumpen wachsen, der sich in ihrem Inneren zusammenballte, kaum dass der Vater die Einladung ausgesprochen hatte. Derartige Aktivitäten passten gar nicht zu ihm, vor allem nicht an solch frostigen Abenden, wie sie in Kairo nur ein- oder zweimal im Jahr vorkamen.
Vater und Tochter nahmen an einem Tisch direkt am Ufer Platz. Hâgar betrachtete die zerschlissene Tischdecke und schlang, um die innere Kälte zu bezwingen, den Mantel enger um den Körper. Ein nicht mehr ganz junger Kellner erschien. Der Vater bestellte zwei Becher Cassata. Schweigend sassen sich die beiden gegenüber und schauten den nervtötenden Nilschiffen nach. Mit sicherem Griff hatten die Fahrgäste die schrecklichsten arabischen Lieder herausgepickt, um sie von voll aufgedrehten, rostigen Lautsprechern in die Welt tröten zu lassen. Verzerrt und scheppernd klangen die Lieder noch wehmütiger, als sie eh schon waren. Hâgar überlegte, ob sie kurzerhand in den lockenden Nil springen und dem Elend ein schnelles Ende setzen sollte. Zumindest würde sie damit dem Vater die Mühe ersparen, dasanzusprechen, was ihm durch den Kopf ging. Was es war, wusste sie zwar nicht, aber sie merkte deutlich, dass es ihn bedrückte. Ausserdem würde sie dann zur Niljungfrau werden. Ein Schiff fuhr vorbei, so nah, dass es fast die Mauer der Bar streifte, gefolgt von einem anderen, auf dem ein Mann in den Fünfzigern so obszön tanzte wie Saad al-Sughair 7 . Peinlich berührt, musste Hâgar unwillkürlich lächeln.
Doktor Mustafa ergriff die Gelegenheit. Als er sah, wie sich die Miene seiner Tochter ein wenig erhellte, fasste er Mut und leitete das Gespräch mit einer seltsamen Frage ein. Was sie von den Vereinigten Staaten und insbesondere von New York und New Jersey halte, wollte er wissen.
Hâgar verstand nicht, worauf er hinauswollte. Wusste er, dass Elisa in New York lebte? Deutete er damit das an, was ihr die ganze Zeit durch den Kopf geisterte? Egal. Jedenfalls erklärte sie sich um Punkt Mitternacht prinzipiell einverstanden, behielt sich die endgültige Entscheidung aber bis zu dem Treffen am nächsten Tag vor.
A uf einen Toten einzudreschen sei angeblich Sünde.
Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, warum.
Tote merken doch eh nichts.
A iman verliebte sich auf den ersten Blick in Hâgar. Sie erfüllte alle Kriterien, die er seiner Mutter in dem Brief vom 22. November 2004 als
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