Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
Vom Netzwerk:
Richtlinien für die Suche aufgelistet hatte. Zu erfahren, dass Hâgar ausgerechnet am 22. November Geburtstag hatte, rührte die Mutter zu Tränen. »Das ist ein grosser Triumph, mein Sohn«, jubelte sie.
    Er sass mit seinem ehemaligen Professor im Wohnzimmer, als Hâgar hereinkam und den Kaffee servierte. Aiman betrachtete Hâgar und registrierte alles. Von der Farbe des Kopftuches bis hin zur Schuhgrösse. Sie war perfekt, hatte ein ruhiges Auftreten, sprach mit gedämpfter Stimme und war studierte Juristin. Ihre Haut war weder unangenehm dunkel noch strahlend weiss. Gesicht und Hände wiesen keinerlei Pickel oder Pusteln auf. Aiman warf einen prüfenden Blick auf ihre Fingernägel, um zu sehen, ob sie sauber waren. Das Kopftuch war schlicht und nicht zu fest gebunden. Übermässige Strenge verabscheuten die Amerikaner nämlich. Seine Zukünftige sollte, was Schönheit und Körpergrösse anbelangte, einem gewissen Mittelmass entsprechen, damit er von dünkelhaften, selbstgefälligen Allüren ihrerseits verschont bliebe. Sie sollte frisch von der Universität kommen und noch keine Berufserfahrung aufweisen, um ihn nicht mit lästigen Karrierewünschen zu behelligen. Hâgar war also genau die Richtige.
    Er verliess die Wohnung, ohne das Thema angesprochen zu haben, fasste aber in dem Moment, als er den Fuss auf die Strasse setzte, den Entschluss, seinen Rückflug zu verschieben, um die lang ersehnte Heirat in die Wege zu leiten. Trotzdem führte er alle noch anstehenden Visiten bei den potentiellen Bräuten planmässig durch.
    Mit jedem Besuch wurde Aiman ob seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft stolzer und selbstbewusster. Immer wieder spielte sich die gleiche Szene ab. Den Eltern oder dem einen Elternteil, sofern der Partner aus dem ehelichen Nest oder gar dem Leben verbannt worden war, stand die Hoffnung förmlich im Gesicht geschrieben. Die junge Frauhatte sich, das war nicht zu übersehen, für ihn herausgeputzt und jedes Detail ihrer Kleidung mit äusserster Sorgfalt ausgewählt. Währenddessen gab er prahlerisch zum Besten, was er in den Vereinigten Staaten alles erreicht habe, wie er es zum erfolgreichen Geschäftsmann gebracht habe und was für eine geräumige Eigentumswohnung er sich leisten könne. Und am Ende erntete er von ausnahmslos jeder Familie überaus grosse Wertschätzung.
    Im Anschluss an den Bräutemarathon widmete er sich seinen Freunden. Als Treffpunkt wählte er eine Lokalität in dem Viertel, in dem die letzte Familie auf der von seiner Mutter zusammengestellten Liste wohnte. Er bestellte seine Freunde in ein französisches Café in Madinat Nasr. Nach herzlicher Begrüssung mit Umarmungen und Küssen musste er ihren Spott über sich ergehen lassen. Ungehalten über seine Einfalt, warfen sie ihm eine Frage nach der anderen an den Kopf: »Wie kannst du deine Zukünftige auf der Grundlage einer halbstündigen Bekanntschaft bestimmen? Wie kannst du deine Wahl auf der Grundlage von Aussehen X, Grösse X, Breite X, Format X im Quadrat treffen? Du heiratest doch kein Auto, bei dem es auf Hubraum, PS-Zahl und Chassis ankommt! Es kann doch nicht sein, dass es dir nach all den Jahren, die du auf dem Buckel hast, nur um Äusserlichkeiten und nicht ums Wesen geht! Bist du geistig zurückgeblieben oder bescheuert?«
    A ls Aiman um Hâgars Hand anhielt, glaubte Doktor Mustafa, Abdalghani al-Saîd 8 säusele ihm das Lied Ach, meine schöne Apfeldame ins Ohr. Wie berauscht legte er den Hörerauf und berief sofort einen Familienrat ein, den Hâgar nach ungefähr einer Stunde unterbrach. Sie ging in ihr Zimmer, rief Achmad an und erschien kurz darauf wieder, das Gesicht wie eine ausgepresste Zitrone.
    Aiman kam in Begleitung seiner Mutter Amâl. Am Tisch im Salon wurde Saft gereicht. Das gesamte Inventar des Raums war etwa zwanzig Jahre zuvor speziell für diesen Anlass in Damiette gefertigt worden. Hâgar, die sich neben Aiman gesetzt hatte, starrte leer vor sich hin. Die Tischdecke im Blick, versuchte sie sich auf einen der vielen Orangetöne zu konzentrieren. Vergeblich. Schon immer hatte sie die Frage beschäftigt, warum Wasser weder Geruch noch Farbe, noch Geschmack besass. Es war ihr unerklärlich, dass etwas nach nichts riechen konnte. Und nun stellte sie auf einmal fest, dass die ganze Welt mit allem Drum und Dran geruch-, farb- und geschmacklos war.
    Tags darauf begannen sogleich die geheimen Verhandlungen zwischen den beiden Männern. Nach zwei Sitzungen waren sie sich über alle Einzelheiten

Weitere Kostenlose Bücher