Arche Noah | Roman aus Ägypten
fahr die fünf Pizzas zu dieser Adresse.«
»Her damit. Ich bin schnell wie der Blitz.«
»Oh, Herr Akram gibt sich die Ehre und kommt höchstpersönlich in mein bescheidenes Lokal. Es hätte sich gehört, das Aladin samt Chef zu Ihrer Exzellenz zu tragen.«
»Hören Sie, Aiman. Ich will meinen Kühlschrank mit Tîfas Schlemmereien füllen. Mein Sohn Farîd kommt in ein paar Tagen für zwei Wochen aus London zu Besuch. Ich bin ganz aus dem Häuschen!«
»Gott erhalte Ihnen die Freude lebenslang, Herr Akram. Für Sie würden wir sogar einen nagelneuen Kühlschrank kaufen und ihn bis zum Rand füllen mit allem, was Ihr Herz begehrt. Nur damit Sie wissen, wie viel Sie uns bedeuten.«
O bwohl Aiman alles tat, um seine Frau glücklich zu machen, igelte sich Hâgar ein. Sie schien, in einer künstlichen Blase schwebend, darauf zu warten, endlich ins Leben hinauszutreten. Ein Zustand chronischer Abwesenheit, dem Aiman ratlos gegenüberstand. Doch als er erfuhr, dass sie schwanger war, machte er einen Freudensprung. Es war, als stünde die Welt still, und er verschmolz mit dem Augenblick.Noch in der Arztpraxis dankte er Gott mit einem Kniefall. Zurück in der Realität, sah er sich aber einem Eisblock gegenüber. Immerzu das gleiche teilnahmslose Lächeln auf den Lippen, war Hâgar ganz abwesend.
Obwohl sie dieses für ihn nicht nachvollziehbare Verhalten an den Tag legte und darin eher einer Maschine als einem Menschen glich, wies er Scharbînis und Abdallatîfs Warnungen scharf zurück. Davon, dass das gemeinsame Leben für sie nichts als eine Businessehe sei, dass sie ihn bei passender Gelegenheit mit einem erbarmungslosen Schlag zur Strecke bringen würde, dass dieser Schlag ausbleibe, solange sie nicht im Besitz der Greencard sei, und er deshalb mit allen Mitteln die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis hinauszögern müsse, wollte er absolut nichts hören. Allerdings suchte Aiman mit Leuten in seinem Umfeld, denen er Menschenkenntnis und Lebenserfahrung zutraute, das Gespräch über Hâgars Zustand. Ihre Worte beruhigten ihn.
»Menschen sind so vielfältig wie Stoffe«, sagte einer wohlmeinend. »Man findet alle möglichen Sorten und Farben. Gabardine, Crêpe, Wolle, Satin, Tüll, Taft, Chiffon, Organza, Linon … in Orange, Indigo, Azur, Zitronengelb, Violett. Es gibt reissfeste und leicht reissende Materialien und solche, die ganz von selbst zerfallen. Du darfst nicht davon ausgehen, dass deine Frau aus dem gleichen Stoff gewebt ist und die gleiche Farbe hat wie du. Das ist ihr Naturell. Du musst sie nehmen, wie sie ist.«
Diese Erklärung gefiel Aiman, und er erinnerte sich künftig stets an sie, in jeder schwierigen Situation, jedem Moment des Zweifels und immer wenn sich ihr toter Blickmit gnadenloser Härte in ihn hineinbohrte. Dennoch gingen ihm die Warnungen nicht aus dem Sinn, schliesslich hatte er so manche Businessehe um sich herum mitbekommen, und das beunruhigte ihn zutiefst.
»Das kann unmöglich sein.«
»Was kann unmöglich sein, Aiman?«
»Nichts, Herr Akram. Mir ist gerade etwas durch den Kopf gegangen. Ich war nur in Gedanken.«
A kram al-Mungi war ein ägyptischer Geschäftsmann in den Fünfzigern. Sein Land hatte er mit einem ordentlichen Visum verlassen, ausgestellt von der amerikanischen Botschaft in Kairo. Nun lebte er seit knapp einem Jahr in den Vereinigten Staaten, nachdem er sich verschuldet, den Betrag von achtzehn Millionen Dollar ins Ausland verschoben und seine Geschäfte in der Heimat mehreren Banken verpfändet hatte. Seine Frau war ungefähr sechs Monate vor seiner Flucht aus Ägypten an Brustkrebs gestorben. Er hatte eine Tochter, die seit fünf Jahren mit einem Amerikaner verheiratet war und mit ihm in Florida lebte, und einen jüngeren Sohn, der in London Wirtschaft studierte.
Akram hatte nach seiner Ankunft beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen. Er wollte künftig nicht mehr arbeiten, unter allen Umständen aufs Glücksspiel verzichten, auf keinen Fall mehr an der Börse spekulieren und die Finger tunlichst von unsicheren Investitionen lassen.
Zwei Stunden später kehrte Akram ins Aladin zurück. Aiman war nicht dort. Also nutzte er die Gunst der Stunde, rief Abdallatîf und bat ihn, unter dem Vorwand, etwas frische Luft schnappen zu wollen, mit vor die Tür.
»Wie viel verdienst du, Tîfa?«
»Warum fragen Sie, mein Herr?«
»Nun verrat es mir doch einfach. Was verlierst du dabei denn schon?«
»Ich verdiene 450 Dollar die Woche. Und mit Nebenjobs
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