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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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links und das Jolie Ville in der Ferne. Und plötzlich sah er die Pyramiden. Wie angewurzelt stand er da und blickte zur gewaltigen Cheops-Pyramide. Ein stummes Gespräch zwischen ihm und Cheops entspann sich und blieb ihm unauslöschlich im Gedächtnis haften. Dann ging es mit einem anderen Mikrobus zum Gisaplatz und von dort weiter zum Tachrîrplatz. In einem exquisiten Restaurant in Bab al-Lûk stärkten sie sich mit Kuschari 11 . Abdallatîf lud sich extra viel Tomatensauce, Zwiebeln und Kichererbsen auf, weil diesmal ausnahmsweise Abdalnabi bezahlte. Anschliessend nahmen sie den Bus zum Flughafen. Fünf Stunden vor dem Abflug waren sie dort. Abdalnabi händigte ihm das Ticket aus. Es habe, erklärte er, 4400 Pfund gekostet. Blieben von den insgesamt 5000 Pfund, die Abdallatîf ihm gegeben hatte, also 600 Pfund übrig. Diese plus die 100 Dollar, die er zwei Tage zuvor von ihm bekommen hatte, behalte er als seinen Lohn ein. Abdalnabi verabschiedete Tîfa mit den Worten: »Wir sehen uns wieder. Schliesslich muss der Giftmischer sein Gebräu auch selbst einmal kosten.«
    Die KLM-Maschine flog um vier Uhr von Kairo in Richtung Amsterdam ab. Um 7 Uhr 35 niederländischer Zeit landete Abdallatîf und musste im Transitbereich sechzehn Stunden auf den Anschlussflug nach Quito warten.
    I m Flugzeug schlief ich wie ein Stein. Auf dem Flughafen Amsterdam dagegen war ich vor lauter Mädchen um mich herum die ganze Zeit hellwach. Unglaublich, was man da erlebt. Meine Kumpel aus Fajjûm, die in Hurghada oder Scharm al-Scheicharbeiten, hatten mir oft erzählt, wie die Frauen herumlaufen und was sie mit den Männern so treiben. Zwar hatte ich mir in einem Café in Fajjûm auch schon einmal Pornos angeschaut, aber zu beobachten, wie die Leute am helllichten Tag knutschen und sich befummeln, ist etwas ganz anderes. Ich hatte das Glück, einen guten Platz zu erwischen. Mir gegenüber sassen drei junge Pärchen, die genau wie ich auf ihren Flug warteten. Währenddessen küssten sie sich, mit Zunge und so. Eine der Frauen hatte die Beine obendrein bis zum Anschlag gespreizt. Wie ein König habe ich mich gefühlt. Ich sass da, guckte und kam, ohne auch nur einen Cent bezahlt zu haben, wunderbar auf meine Kosten. Als die sechs weg waren, spähte ich nach anderen Frauen. Der einen hing der Busen halb aus der Bluse. Bei der anderen guckte die Unterwäsche heraus. Nicht zu fassen, diese Schamlosigkeit! Irgendwann musste ich aufs Klo. Als ich einen Fuss in den Waschraum setzte, entfuhr mir ein Schrei. Alles blitzte und funkelte, der Boden strahlte regelrecht. So einen sauberen Raum hatte ich noch nie gesehen. Danach ging ich mir alle naselang Gesicht und Hände waschen. Als ich wieder einmal die Toilette betrat, da – ich bitte den Ausdruck zu entschuldigen – fickten dort gerade zwei. Auf der Stelle rannte ich hinaus und sah noch, wie ein Polizist hineinging. Ach du Schreck, dachte ich, jetzt geht es denen da drin an den Kragen. Ich blieb an der Tür stehen, um zu beobachten, was passiert. Aber der Polizist kam ganz normal wieder heraus.
    Ich muss sagen, dass ich panische Angst vor der Polizei hatte. Ich hatte nämlich gehört, dass die einen, wenn man auf seinen Flug wartet, gern auch einmal in die Mangel nehmen. Ich solle immer Pass und Ticket bereithalten, hatte man mir geraten. Aber zum Glück hat mich keiner angesprochen.
    Am Ende fand ich es schade, nur sechzehn Stunden gewartet zu haben, das war viel zu kurz gewesen. Jedenfalls stieg ich zu guter Letzt ins Flugzeug.
    D ie KLM-Maschine hob um 23 Uhr 35 vom Flughafen Schiphol ab. Während des Flugs schlief Abdallatîf hauptsächlich. Kurz vor der Landung wurde er geweckt, damit er Quito aus der Luft sehen konnte. Ein atemberaubender Anblick. Die Stadt, 2800 Meter über dem Meeresspiegel, lag in einem grünen Tal. Diesen üppig bunten Garten konnte man in seiner ganzen Pracht nur aus der Vogelperspektive erfassen. Um acht Uhr Ortszeit landete Tîfa auf dem internationalen Mariscal-Sucre-Flughafen in Quito, der Hauptstadt der sogenannten Bananenrepublik. Deren politische und wirtschaftliche Situation war äusserst angespannt. Mit gewalttätigen Demonstrationen überall im Land hatte das neue Jahrhundert angefangen. Aufgebrachte Menschenmassen forderten den Rücktritt des ecuadorianischen Präsidenten Jamil Mahuad, der libanesische Wurzeln hatte. Er hatte das Land abgewirtschaftet. Die jährliche Inflationsrate war auf 40,7 Prozent gestiegen, die Strom-, Gas- und

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