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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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wieder abgeschaltet.
    W ir waren alle Afrikaner. Kälte kannten wir nicht. Keiner von uns hatte eine Vorstellung davon, was es heisst, vor Kälte zu bibbern. Und in den Kühlschränken, das war kein Bibbern. Nein, da hat einem die Seele geklirrt. Der reinste Tod war das. Wir hatten das Gefühl zu krepieren. Ein entsetzlicher Schmerz befällt deine Gelenke. Du reibst dir die Hände, spürst sie aber nicht. Da glaubst du, dass sie abgestorben sind. Nach und nach verlierst du das Gefühl für den ganzen Körper. Es ist, als würde dir das Blut in den Adern gefrieren. Mit jeder Sekunde kommst du dem Tod näher. Neben dem Fahrer sass der Todesengel Asraîl. Er lauerte darauf, dass einer von uns schwächelte, um sich seine Seele zu holen. Ich habe sein Gesicht gesehen, die Augen aber schnell geschlossen, damit er mich in Ruhe lässt.
    Aber wie Pedro versprochen hatte, kamen wir heil in Nordmexiko an. Vor der Grenze zu Texas mussten wir aus den Lastern steigen. Und dann folgte die eigentliche Prüfung. Der Augenblick der Wahrheit.
    D ie Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko ist 3360 Kilometer lang. Im äussersten Westen am Pazifischen Ozean beginnend, im San Diego County in Kalifornien, zieht sie sich ostwärts durchs Landesinnere bis nach Brownsville in Texas. Ursprünglich gehörten alle Bundesstaaten im Südwesten der USA zu Mexiko, wurden aber im Laufe der vielen Kriege zwischen beiden Ländern im neunzehnten Jahrhundert von den Vereinigten Staaten nach und nach annektiert. Diese Grenze ist eine der am häufigstenwiderrechtlich überquerten auf der Welt. Heute leben über acht Millionen Mexikaner in den USA, die meisten davon ohne Aufenthaltserlaubnis. Etwa 400 Menschen sterben jährlich bei dem Versuch, die Grenze zu überschreiten.
    Illegal eingewanderte Mexikaner werden von den amerikanischen Behörden innerhalb von vierundzwanzig Stunden in ihr Land zurückgeschickt. Solche aus anderen Ländern stellen eine besondere Herausforderung dar. Seit Jahrzehnten können in den Auffanglagern aufgrund von Platzmangel nicht alle Menschen untergebracht werden, die an der Grenze gefasst werden. Deshalb werden viele in die amerikanische Gesellschaft entlassen. Allerdings wird ein Gerichtstermin für sie festgesetzt, zu dem sie persönlich zu erscheinen haben. Aber den nimmt kaum einer wahr.
    Genau das widerfuhr Abdallatîf. Als sie sich nachts über die Grenze schmuggelten, kam es zu einer Schiesserei zwischen der Grenzpatrouille und Pedros Leuten. Dabei wurde ein Mann aus Sierra Leone getötet. Auch Saîd starb, von einem Querschläger am Kopf getroffen. Die ecuadorianisch-kolumbianisch-mexikanische Schlepperbande zog sich zurück und überliess die siebenundzwanzig Überlebenden der US-amerikanischen Polizei.
    W ir wurden an der texanischen Grenze gefasst. Mir war das in dem Augenblick egal. Saîd war alles, woran ich dachte. Es war Nacht und stockfinster. Das einzige Licht kam von den Schüssen. Zuerst rannten wir panisch umher, aber dann drängten wir uns wie die Mäuse dicht aneinander, suchten an den Körpern der anderen Geborgenheit. Plötzlich gellte ein Schrei, und kurz darauf traf eine Kugel Saîd zwischen den Augen. Es war, als hätte ergeahnt, dass der Tod ihn holen würde. Ich schloss ihn in die Arme. Obwohl es bitterkalt war, glühte sein Körper regelrecht.
    Als wir festgenommen wurden, dachte ich nur an eines: Saîds Beerdigung. Wer würde für ihn beten? Wie würden sie ihn begraben? Womöglich wie einen von hier? Mir blutete das Herz. Saîd war für mich wie ein Bruder gewesen, ehrlich. Bis heute träume ich von ihm, sogar öfter als von meiner Mutter.
    Ich wurde zu eineinhalb Monaten Gefängnis verurteilt. Bei der Entlassung sagte man mir, dass ich wegen meiner illegalen Einreise an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit vor einem bestimmten Gericht erscheinen solle. Ich hatte keine Ahnung, warum ich entlassen wurde. Später aber begriff ich, dass in den Zellen nicht genug Platz war. Sie waren sozusagen komplett ausgebucht. In den amerikanischen Gefängnissen sollen zwei Millionen Menschen einsitzen. Anscheinend wimmelt es in diesem Land von Dieben und Mördern. Das war mein Glück. Jedenfalls sah ich plötzlich den blauen Himmel wieder. Ich fragte Araber, die ich zufällig kennenlernte. Ich solle auf keinen Fall vor Gericht erscheinen, rieten sie mir, sondern sofort in einen anderen Bundesstaat abhauen. Die Verhandlung würde mir nur Ärger einbringen. Das Einzige, was dabei für mich

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