Arche Noah | Roman aus Ägypten
waren, bezahlte jeder 2500 Dollar, das machte zusammen also 75 000 Dollar. Am darauffolgenden Tag brachen sie auf. Ein alter Bus fuhr sie von Quito über die Anden und durch den Amazonas-Regenwald in Richtung kolumbianische Grenze. Sie passierten viele Dörfer und Ortschaften, in denen die Menschen unter schwierigsten Bedingungen, ohne Trinkwasser und Strom, lebten. Unterwegs sahen sie überall Erdhaufen, vermischt mit einer schwarzen Masse, die aus Lecks in den Pipelines sickerte. 96,6 Prozent seines Erdöls fördert Ecuador im Amazonas-Regenwald. Für die Bohrungen wurde ein tausend Kilometer langes Strassennetz in den Wald hineingebaut, wurden also Tausende Hektar Urwald abgeholzt. Starke Regenfälle hatten diese Gebiete anschliessend in monströse Schlammflächen verwandelt. Welche Auswirkungen die Chemikalien, die bei den Bohrungen eingesetzt wurden, auf die Natur haben, wurde dabei nicht bedacht, ebenso wenig, dass sie bei Menschen Gesundheitsschäden, insbesondere Krebs, hervorrufen.
Ein paar Kilometer vor der kolumbianischen Grenze, in einem menschenleeren Gebiet, das so viele Bäume zählte wie die Wüste Sandkörner, mussten sie aus dem Bus steigen. Es folgte ein eintägiger Fussmarsch durch die Wälder, um die Grenzkontrollen zu umgehen. Jeder trug auf dem Rücken zwanzig Liter Wasser als Reserve für den Notfall. Doch sie kamen planmässig und unversehrt über die ecuadorianisch-kolumbianische Grenze. Im ersten kolumbianischen Dorf stiegen sie in einen Bus, der noch klappriger war als der erste.
Kaum waren sie losgefahren, wurde Saîd, der neben Abdallatîf sass, nervös. Sobald der Bus das Tempo drosselte, sprang er panisch auf, starrte gebannt an Tîfas Kopf vorbei aus dem Fenster und rezitierte Koranverse, die ihn bald, zumindest vorübergehend, beruhigten. Nach und nach übertrug sich die Panik auf Abdallatîf, der bis zu dem Zeitpunkt nicht einmal den Namen des Landes kannte, in dem er sich gerade befand. Saîd, der einen Bachelor in Pädagogik und zehn Jahre an verschiedenen Schulen in Marokko gelehrt hatte, war sich der lauernden Gefahren sehr wohl bewusst. Dass die Reise durchaus mit dem Tod enden könnte, wusste er nur zu gut. Bei diesem Wagnis sein Leben zu lassen aber war ihm lieber, als den langsamen, alltäglichen Tod in Marokko zu sterben.
D rei Tage nachdem er in Quito aus dem Flugzeug gestiegen war, sass Abdallatîf in der Blechbaracke und ernährte sich noch immer von den Sandwiches, die er in der Bäckerei Kauthar in Fajjûm gekauft hatte. Am gleichen Tag, dem 30. August, landete der amerikanische Präsident Bill Clintonin Kolumbien mit dem Ziel, den »Plan Colombia« zu starten und der kolumbianischen Regierung die erste Rate der vereinbarten 1,3 Milliarden Dollar zu überbringen. Dieser Betrag, in erster Linie eine militärische Hilfsmassnahme, sollte laut offizieller Darstellung die Regierung von Andrés Pastrana bei der Bekämpfung des Drogenhandels und des »illegalen« Drogenanbaus unterstützen. In Wirklichkeit aber diente diese Finanzspritze der Zerschlagung der in den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens und der Nationalen Befreiungsarmee organisierten Aufständischen. Ausserdem sollten die Gelder die Regierung befähigen, im Ausland aktiv zu werden und Einfluss auf die undurchschaubare Politik der lateinamerikanischen Nachbarländer, wie zum Beispiel Ecuador, zu nehmen. Dieser »Plan« bezwecke, so die Einschätzung vieler Experten und NGOs, den Krieg anzuheizen, die Verhandlungen mit den Aufständischen einzufrieren und den paramilitärischen Kräften und der Armee freie Hand im Dienste der amerikanischen Interessen einzuräumen. So markierte der August 2000, zu Ehren der Ankunft des Herrn Abdallatîf aus Fajjûm auf südamerikanischem Boden, den Beginn neuer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Lateinamerika, die dem US-Militär nun die Präsenz auf kolumbianischem Boden erlaubten.
» Q uatsch nicht rum, Tîfa, und arbeite gefälligst! Sonst schmeiss ich dich noch raus, und dann kannst du sehen, wo du bleibst.«
»Sie wissen meine Arbeit nicht zu schätzen. Einen wie mich finden Sie nicht noch einmal.«
»Ja, das stimmt. Aber du telefonierst mir zu viel. Ständig hängst du am Telefon. Arbeiten sollst du und nicht stundenlang labern.«
»Aber es ging doch um die Entenbestellung, von der ich Ihnen erzählt habe. Glauben Sie mir, Herr Aiman, ich bin der Fleiss in Person.«
»Los, Magdî.«
»Ich beeil mich schon.«
»Mûssa, komm her. Hier,
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