Arche Noah | Roman aus Ägypten
Nachricht: Der Chef der Nationalen Behörde fürTransportsicherheit der USA, Jim Hall, habe bekanntgegeben, dass die Bergungstruppe die Suche nach den Trümmern der EgyptAir-Maschine, einer Boeing 767, die zwei Monate zuvor auf dem Flug von New York nach Kairo vor der US-amerikanischen Küste abgestürzt war, endgültig eingestellt habe.
An der Frühstückstafel wurde kondoliert. Mariam liefen die Tränen.
»Die ägyptische Regierung hat einen groben Fehler begangen«, trug Farîd den eingeübten Satz vor. »Es war falsch, die bestausgebildeten Militärpiloten in ein und derselben Maschine fliegen zu lassen. Sämtliche Eier in einem einzigen Korb zu transportieren war fahrlässig. Diesen Verlust hätte man nicht riskieren dürfen.«
»Ich habe gehört, dass an derselben Stelle schon einige Flugzeuge abgestürzt sind«, sagte Mariams beste Freundin Fausîja.
»Meine Cousine Mahitâb ist mir gestern Nacht im Traum als schöner Geist erschienen«, berichtete Mariam. »Sie hat gelächelt. Und dann roch der ganze Raum nach ihrem Parfüm.«
Um zwölf Uhr mittags bemerkte Farîd, dass sich Mariam zum Aufbruch bereitmachte. In aller Eile verabschiedete er sich, ging hinaus und wartete in seinem Golf, dass sie herauskäme. Kurz darauf trat sie aus der Lobby, blieb vor dem Hotel stehen und hielt Ausschau nach ihrem Chauffeur. Farîd beobachtete sie aus der Ferne, um sich an ihrem strahlenden Licht zu wärmen. Doch dann näherten sich ihr zielstrebig zwei junge Burschen. Er sprang aus dem Wagen und eilte hinzu. Auf der Stelle verzogen sich die beidenKerle. Farîd stellte sich zu ihr und bot ihr ein paar Minuten später an: »Komm, ich fahre dich nach Hause.«
»Keine Ahnung, warum sich der Chauffeur verspätet hat«, schimpfte sie. »Ich habe ihm halb zwölf gesagt. Und jetzt hat der Idiot auch noch das Handy abgeschaltet. Wozu haben wir es ihm überhaupt gekauft?«
»Wenn du hier allein herumstehst, wirst du nur belästigt.«
»Der Chauffeur kommt sicher gleich.«
»Wenn er kommt und dich nicht antrifft, ruft er dich bestimmt auf dem Handy an. Komm, ich lasse dich hier nicht allein stehen.«
Farîd startete den Golf, holte seinen MP3-Player heraus und spielte das Lied, das genau das ausdrückte, was er nicht zu Papier, geschweige denn über die Lippen zu bringen vermochte. »Hier, hör dir diesen Song an, All I want is you von Bryan Adams. Ich fahre total darauf ab.«
Und dieses Lied war der Auslöser für Farîds Wegzug aus Ägypten.
M it einem Gläschen Alkohol und einer Zigarre, Sohn und Tochter um sich an der langen Tafel in seinem Wohnzimmer in New Jersey, vor sich Tîfas köstliche Basbûsa 15 , sass Akram zurückgelehnt da und sah dem Rauch nach, der zur Decke aufstieg und sich in alle Richtungen ausbreitete. »Kinder, war das ein Moment. Ein Moment, wie er einem im Leben nur selten vergönnt ist. Kurz vor Mitternacht. In wenigen Minuten sollte das bedeutendste Jahrhundert aller Zeiten zu Ende gehen. Alle warteten mit angehaltenemAtem auf das neue Jahrtausend. Eure Mutter und ich Hand in Hand. Um uns herum die mächtigsten Männer des Landes. Sogar Präsident Husni Mubârak und seine Gattin Suzanne waren anwesend. Und dann der Augenblick, als Ägypten im Angesicht der Pyramiden von Gisa, eines der sieben Weltwunder, das neue Jahrtausend empfing. Das Fest war einzigartig, 50 000 Menschen aus Ägypten und aller Herren Länder verfolgten gebannt das Geschehen auf der Bühne. Jean Michel Jarre präsentierte seine schönsten Kompositionen. Er war grandios, wie von pharaonischer Grösse berührt. Und dann das pompöse Finale. Ich erinnere mich an jede Einzelheit, als sei es erst gestern gewesen. Lichtspiele und Feuerwerk, ein gewaltiges Bild bot sich einem, trotz des dichten Nebels. Alle anwesenden Persönlichkeiten waren begeistert von diesem sensationellen Event, das im Übrigen nur neuneinhalb Millionen Dollar gekostet hat. Eure Mutter war von Jean Michel Jarre und seiner brillanten Musik hin und weg.«
»Hört, wie ich die Jahrtausendwende verbracht habe«, unterbrach Angie ihren Vater. »Ich lag mit einer schweren Erkältung im Bett. Meine Freundin Maisûn rief mich völlig aufgelöst an. Sie hatte sich nach fünf Jahren von ihrem Verlobten getrennt, weil sie das Gefühl hatte, dass der goldene Ring ihren Finger stranguliert. Ich bot ihr an, zu mir zu kommen. Und dann haben wir zusammen geweint – um die verlorene Liebe und das verpasste Glück, über die eigenen Niederlagen, vor Schmerz und
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