Arche Noah | Roman aus Ägypten
erzählte Taha, dem Betriebsleiter, was los war. Daraufhin liess dieser drei Riesenkerle von Arbeitern rufen und wies sie an, Farîd im Auto nach Hause zu begleiten. Im Grunde hätte einer von denen gereicht, um die ganze Schule ausser Gefecht zu setzen.
Farîd brachte den Nachmittag damit zu, alle Kumpel anzurufen, um zu sondieren, wer ihm am nächsten Tag im Kampf zur Seite stehen würde. Und als er sich schlafen legte, hatte er seine Armee rekrutiert und einen Schlachtplan entworfen.
A m Samstag, dem 3. September 2005, flog Farîd von New York nach London zurück, um am Montag pünktlich zum Vorlesungsbeginn wieder an der Universität zu sein. Iulia, seine rumänische Freundin, empfing ihn am Flughafen, und in seinem Jaguar fuhren sie dann zum Atlantic House auf dem Kensington-Campus. Das Gebäude bot Unterkunft für 114 Studenten, verfügte über einen Speisesaal, in dem täglich drei warme Mahlzeiten ausgegeben wurden, ausserdem über eine Bibliothek, einen Computersaal mit einundfünfzig Rechnern mit Breitbandanschluss, einen Billardsaal, Gemeinschaftsräume und einen Kinosaal mit DVDs zur kostenlosen Benutzung. Die Universität befand sich auf einem riesigen Areal mit vielen Gebäuden, darunter alte Schlösser, Sporthallen, Unterrichts- und Wohnkomplexe. Die Studenten kamen aus siebzig Ländern und teilten sich in verschiedene Gruppen auf. Es gab eine arabische und eine amerikanische Gruppe sowie eine türkische, die im Dauerclinch mit den Arabern lag. Kam es allerdings zum arabisch-amerikanischen Streit, dann schlugen sich die Türken unverzüglich auf die Seite der Araber. Ausserdem gab es eine Gruppe aller spanischsprachigen Studenten. Und nicht zu vergessen die radikalen Feministinnen.
Farîd war der einzige Ägypter an der Universität. Die anderen arabischen Studenten stammten vor allem aus Kuwait und Abu Dhabi. Im Vorjahr hatte sich Farîd das Zimmer mit einem afghanischen Kommilitonen geteilt und Iulia ihres mit einer Ecuadorianerin. Doch dann waren sich Farîd und Iulia nähergekommen und wollten unbedingt zusammenwohnen. Also heckten sie den Plan aus, den Afghanen und die Ecuadorianerin miteinander zu verkuppeln. Siefädelten Begegnungen ein, verschickten fingierte Briefe und streuten schliesslich, in den schillerndsten Farben, das Gerücht, dass der Afghane nachts davon träume, sich einen Kuss von der Ecuadorianerin zu erhaschen. Der Plan ging auf: Die zwei verliebten sich ineinander. Und so zogen die beiden Paare – hinter dem Rücken der Verwaltung – jeweils zusammen.
K ennst du das Dream-Team, die US-amerikanische Basketballnationalmannschaft? Als an den Olympischen Spielen zum ersten Mal Profis teilnehmen durften, hatten sich die Jungs vorgenommen, jedes Spiel mit über hundert Punkten zu gewinnen. Sie haben es tatsächlich geschafft! Und genauso ein Dream-Team ist Iulia, das absolute Traummädchen! Eine echte Sportskanone. Sie joggt jeden Tag drei Meilen, ist sehr auf Gesundheit und Fitness bedacht und erklärte Nichtraucherin. Täglich büffelt sie vier Stunden, und wenn ich nicht fleissig genug bin, macht sie mir die Hölle heiss. Ausserdem exzerpiert sie für mich die Bücher. Ein wirklich feiner Mensch, herzensgut und grundanständig. Sie liebt mich, ist treu und tickt exakter als ein Uhrwerk. Na ja, schliesslich hat sie auch eine deutsche Mutter. Und ihr rumänischer Vater, dafür verwette ich meinen Kopf, hat bestimmt auch deutsche Wurzeln, nur gibt sie es nicht zu. Woher sollte sie sonst diese ungeheure Disziplin und Ordnungsliebe haben?
Aber jeder Mensch hat zwei Seiten. Iulia ist kalt wie Eis. Die Monatsblutung tritt, wie der Name schon sagt, monatlich auf. Iulia dagegen bekommt ihre nur alle sechs Monate, deshalb müsste man in ihrem Fall eher von »Semesterblutung« sprechen. Und bei grosser Kälte kann sich die Sache sogar noch weiter verzögern. Keine Ahnung, wie das geht. Sex mit ihr ist kein leichtes Unterfangen.Sie macht lieber andere Sachen: lernen, lesen, im Internet surfen, sich einen Film ansehen oder früh schlafen gehen, um für die Vorlesung am nächsten Morgen fit zu sein. Wenn sich bei ihr ausnahmsweise doch einmal etwas regt, ergreife ich die Gelegenheit beim Schopfe. Ich lege mich ins Zeug, zapple mich im wahrsten Sinne des Wortes ab. Und auf dem Höhepunkt, wenn ich mich für den tollsten Hecht aller Zeiten halte, fragt sie plötzlich: »Wann ist deine Vorlesung morgen? Nur damit ich dich rechtzeitig wecke.« Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass ich
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