Arche Noah | Roman aus Ägypten
Gabaris, Kafr al-Sawâlim al-Bachri, Kafr al-Sawâlim al-Kibli, Dimisna, Kfar Awana und Amlit. Und jeder hatte ein ganzes Heer im Schlepptau. Mit ihnen hätte man geradewegs in den Krieg ziehen können. Sie stellten sich der Reihe nach vor. Der Erste renkte mir bei der Begrüssung fast den Arm aus, so dass ich anschliessend keinem mehr die Hand geben konnte. Was für ein Kraftpaket, gross und breit! Taha hiess er. Und neben ihm sass ein gewisser al-Tûchi. Während ich sprach, klebten meine Augen immerzu an einem Koloss namens Saksûka. Er solle lieber boxen gehen, riet ich ihm. Sie stellten mir weitere Kumpel vor: Muhammad Schindi, Abduh al-Charrât, Schâkir, Alaiwa al-Fachl, Samachmach und Bajâda. Unschlagbar, diese Truppe, ein Geschenk desHimmels, das – Gott sei gelobt – mir in den Schoss fiel. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Konkurrenz so massiv zugenommen hat.
Ich erklärte ihnen, was sie benötigten: ihren Pass, einen Nachweis über den geleisteten Wehrdienst und 15 000 Pfund. 10 000 davon wären sofort zahlbar und 5000, wenn die Sache so weit klar wäre, dass sie ihren Eltern Bescheid geben könnten, also unmittelbar bevor sie das Boot bestiegen. Wir vereinbarten ein Treffen für den Freitag vier Wochen später am selben Ort. Dann sollten sie mir definitiv sagen, wer alles mitkomme. Sie waren sich einig, dass sie im Sommer aufbrechen wollten, weil das Wetter besser und die See ruhiger sei. Ausserdem hätten sie dann noch genug Zeit, das Geld aufzutreiben.
A nschliessend nahm Abu Salâma Jassîn und Ismaîl zur Seite, er wusste genau, dass jedes Wort, das er ihnen sagte, alle anderen erreichen würde. Er wollte ihnen eine alternative Zahlungsmöglichkeit erörtern.
»Ihr seid prima Leute. Und da wir uns ja jetzt so gut kennen, will ich euch helfen und euch keine Informationen vorenthalten.«
»Worum geht’s denn, Abu Salâma?«
»Hört einfach zu.«
»Wir sind ganz Ohr.«
»Nun gut, Männer, möge Gott euch Glück und Zufriedenheit schenken. Ich möchte ja keinem zu nahe treten … aber wer nicht die nötigen Mittel hat … also, da gibt es jedenfalls so ein Krankenhaus. Die suchen Leute, die bereit sind, eine Niere zu spenden für Kranke, die sonst sterben würden, möge Gott das verhindern. Im Gegenzug kommen sie für die gesamten Reisekosten auf.«
»Bist du Schleuser oder Schlächter? Verfluchter Kerl!«
»Nicht so hitzig, Ismaîl. Die Schlächter sind doch wohl eher die Hurensöhne von Schleusern, die für ein Visum für Europa einen medizinischen Check fordern, dich betäuben und dir dann alle Organe klauen, die sie gebrauchen können. Lest ihr etwa keine Zeitung? Ich tue nichts, was Gott missfällt, ich arbeite nicht im Verborgenen, sondern lege alles offen. Meine Aufgabe besteht darin, euch zu informieren. Und jeder bettet sich dann auf die Seite, auf der er bequem liegt.«
»Wer sich eine Niere entnehmen lässt, kann eh nur noch auf einer Seite liegen.« Jassîn lachte über seinen Scherz, den Abu Salâma und Ismaîl nicht verstanden.
»Wer es ins Ausland schafft, bekommt nach ein paar Jahren eine Aufenthaltserlaubnis und dann die Staatsbürgerschaft. Von der medizinischen Versorgung ganz zu schweigen, anstelle der fehlenden Niere können sie einem dort fünf einpflanzen. Das ist ein völlig anderes Leben, Leute!«
»Und kann jeder spenden?«
»Selbstverständlich nicht. Zuerst werden Untersuchungen, Analysen und solcher Kram durchgeführt, und am Ende sagen sie einem, ob man zum Spenden geeignet ist.«
»Und für diese Aktion müssen wir blechen?«
»Natürlich nicht, sonst wäre das ja Betrug und keine Spende. Das ist alles kostenlos. Ich überlege selbst schon zu spenden, um mich auf ihre Kosten durchchecken zu lassen und sicherzugehen, dass der Apparat wirklich noch intakt ist. Und dann mache ich mich aus dem Staub.«
»Nicht doch, was ist denn mit dem Apparat? Es ist doch hoffentlich alles in Ordnung.«
»Ach, was soll ich sagen, Jassîn. In letzter Zeit hakt er etwas. Die Sache ist mir ein bisschen peinlich, aber das Ding kommt nicht mehr so recht in Fahrt.«
»Das geht uns allen so.«
»Gut, Männer, dann also bis zum ersten Freitag im nächsten Monat, so Gott will.«
Z ur Überraschung aller tauchte Wahdân, Scheich Sâlichs Sohn, im Café Masîri auf. Nachdem er Wirtschaftswissenschaften studiert und jahrelang keine Arbeit gefunden hatte, überlegte er, ein eigenes Projekt aufzuziehen. Doch sein Vater hatte jeden vernünftigen Vorschlag abgelehnt.
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