Arche Noah | Roman aus Ägypten
majestätisch kommt er daher. Schöner Tyrann, sanftmütig und stolz.«
Nur eines unterschied die beiden: das m.
»Weisst du, Jassîn, heute überkam es mich. Ich sagte mir immer wieder unsere Namen vor. Jassîn und Jasmin.Jasmin und Jassîn. Und da fiel mir auf, dass sie wunderbar zusammenpassen. Probier es selbst, sprich sie mal nacheinander aus.«
»Lass gut sein, Jasmin.«
»Also, mein Lieber, willst du mich heiraten? Mir macht es nichts aus, die zweite Frau zu sein und Aischa als Nummer eins anzuerkennen.«
»Du willst, dass ich dich heirate?«
»Was ich mache, schickt sich für keine Frau. Das tue ich alles für meine Tochter. Glaub ja nicht, dass ich nur an mich denke, nein, weiss Gott nicht! Ich denke dabei bloss an sie.«
»Aber ich gehe doch weg. Und wenn ich wiederkomme, findet Gott bestimmt eine Lösung.«
D as Café Fallûha lag an einem grossen, sandigen Platz, der an einer Seite von einem Bewässerungskanal begrenzt war. Von der anderen Seite ging eine verwinkelte Gasse ab, die von ärmlichen Häusern gesäumt war. An jenem Mittwochabend strömten junge Männer aus dem Dorf scharenweise dorthin. Anfangs diskutierten sie über das Fussballspiel ENPPI gegen Zamalek, das eins zu eins unentschieden geendet hatte. Nach einer Weile kamen sie auf ihr eigentliches Thema zu sprechen: Wege und Möglichkeiten, das Land zu verlassen. Sie waren das ewige Unentschieden endgültig satt und wollten ausnahmslos alle ins Ausland gehen. Ernster wurde die Debatte, als sich konkrete Fragen aufdrängten: Kosten der Überfahrt, Zahlungsmodalitäten und vor allem wie das nötige Geld aufzutreiben sei.
An dieser Stelle meldete sich Scheich Sâlich zu Wort. Er war Mitte sechzig und hatte die angenehme Stimme einesRundfunksprechers. »Wir haben heute viel gehört. Doch keiner hat auch nur ein ehrliches Wort gesagt. Jeder hier kennt die Wahrheit, aber niemand will sie aussprechen. Deshalb werde ich sie euch ins Gesicht sagen: Auf diese Art zu reisen ist menschenunwürdig! Alle, die vor euch diesen Weg wählten, wurden schmählich behandelt. In Libyen ist es besonders schlimm. Die Männer werden in einem Raum zusammengepfercht, nichts und niemanden bekommen sie zu sehen. Wie Häftlinge in der Folterkammer hocken sie da und warten auf den Termin ihrer Abfahrt, der von nichtsnutzigen Halunken und Dieben bestimmt wird. Die reinste Mafia ist das! Es ist kein Geheimnis, dass unsere Leute von den Schleusern in Libyen mit der Waffe in der Hand empfangen werden. Wir haben ja alle die Geschichte von dem Jungen gehört, der Angst vor dem hohen Wellengang hatte, darauf verprügelt und mit Gewalt auf das Boot gebracht wurde. Jeder weiss, dass dieser Weg in den Tod führt. Hört ihr? Dieser Weg führt in den Tod! Trotzdem sind heutzutage alle gewillt, das Leben ihrer Söhne aufs Spiel zu setzen und dafür auch noch ihr Land zu verpfänden. Eure Familien werden einen Kredit bei der Dorfbank aufnehmen, ihr Land oder den einzigen Büffel verkaufen müssen, um eure Reise zu finanzieren. Ihr wisst sehr wohl, dass die Boote, die für höchstens zwanzig Personen bestimmt sind, mit über fünfzig Mann beladen werden. Habt ihr eine Ahnung, was da passieren kann? Ich sage euch laut und deutlich: Wer sich darauf einlässt, ist verloren. Hoffnungslos verloren!« Scheich Sâlich wechselte den Tonfall. Nun nicht mehr mahnend, sondern sanftmütig setzte er hinzu: »Leute, macht euch eines klar: Gott ist allwissend und wird für uns sorgen.«
Die Versammlung endete damit, dass die jungen Männer – vierundzwanzig an der Zahl – einhellig beschlossen, Jassîn am Freitag zu dem Treffen mit dem Schleuser Abu Salâma zu begleiten. Niedergeschmettert kehrte Scheich Sâlich heim.
N ach dem Freitagsgebet ging ich ins Café Masîri, um Jassîn und Ismaîl zu treffen. Ich dachte, ich mache sie miteinander bekannt, setze mich eine Stunde mit ihnen zusammen und erläutere ihnen alles Nötige. Aber als ich eintraf, erwarteten mich über vierzig Männer. Das Café, die Strasse, alles war voller Menschen. Einige sassen sogar auf dem Bürgersteig gegenüber, andere auf Tonnen, die draussen herumlagen. Eine regelrechte Invasion! Die Szenerie beunruhigte mich, das Ganze sah wie eine Demonstration aus. Um Gottes willen, dachte ich, nachher werde ich noch wegen Aufwiegelei festgenommen. Im Übrigen treffe ich meine Kundschaft gar nicht gern in solch grossen Gruppen. Aber was sollte ich machen?
Es waren Männer vom Land, aus Nikla al-Inab, Ischlima, al-Nubaira,
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