Arche Noah | Roman aus Ägypten
Aber jeder Versuch war gescheitert. Was die Konsulate forderten, hatte jenseits seiner Möglichkeiten gelegen. Der Anruf der beiden Cousins war wie ein Rettungsring, von dem er sich Erlösung aus seiner finanziellen Not versprach. Unverzüglich rief er Achmad Abu Salâma an. Sie vereinbarten, sich am darauffolgenden Freitag, dem 7. Januar, im Café Masîri in Damanhûr zu treffen.
I ch habe keine Ahnung, wie mein Mann es geschafft hat, in nur zwei Tagen allen im Ort mitzuteilen, dass er am Freitag den Schleuser treffen werde. Ausserdem hat er mit Schâkir und Sâdik vereinbart, dass sie die Reise zu dritt antreten. Nach dem Mittagessen fragte er, ob ich mich freuen würde, wenn er fortginge. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, jede Antwort hätte ihn verletzen können, und das wollte ich nicht. Also hielt ich den Mund und ging in die Küche. Um ehrlich zu sein, wäre es mir am liebsten, er ginge, solange die Kinder noch klein sind und ihn noch nicht allzu sehr brauchen.
Am Abend bei einem Glas Tee sagte Jassîn, dass er fest entschlossen sei. Wir einigten uns darauf, dass er höchstens für fünf Jahre fortgeht. Das sei völlig ausreichend, fand ich und servierte das Abendessen.
»Sollen wir wirklich in Jahren rechnen, Aischa?«, fragte er. »Oder nicht doch lieber in Ersparnissen? Wäre es nicht besser, zurückzukommen, wenn ich einen bestimmten Betrag angespart habe, den wir jetzt festlegen? Mit wie viel Geld auf der hohen Kante willst du mich wiederhaben?«
Ich gab ihm keine Antwort. Aber die Frage hat mir den Schlaf geraubt, ich konnte die ganze Nacht kein Auge zumachen.
J assîns Entschluss fortzugehen freute alle, nur Jasmin, Muhibbs Witwe, nicht. Die Nachricht traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nachdem ihr Mann nun schon vier Jahre tot war, hatte sie ihrem Schwiegervater vorschlagen wollen, dass er sie mit Jassîn verheiratet. Gerade einmal siebenundzwanzig Jahre alt, konnte sie unmöglich den Rest ihres Lebens ohne Ehemann bleiben. Deshalb hatte ihre Schwiegermutter in den vergangenen Jahren öfter versucht, sie zu einer erneuten Heirat zu bewegen. Jasmin aber hatte dieses Ansinnen jedes Mal entschieden zurückgewiesen, sie werde nicht zulassen, dass ihre Tochter bei einem Fremden aufwachse. In all den Jahren hatte sie viel über dieses Thema nachgedacht und entschieden, dass überhaupt nur der Onkel ihrer Tochter für die Erziehung in Frage käme.
An dieser Stelle erübrigt sich, zu erwähnen, was auf der Hand liegt: Jasmin war verrückt nach Jassîn und nahm keinen anderen Mann wahr. Sie hatte alles versucht, ihn für sich zu gewinnen. Aber er hatte nicht den Mut oder das Bedürfnis gehabt, sich auf sie einzulassen.
Sie war es leid, allein zu sein. Sollte sie den Schwiegervater darauf ansprechen? Aber selbst wenn er zustimmen würde, was hätte sie von einem Mann, der nicht da wäre? Seit Muhibbs Tod lebte sie bei ihren Schwiegereltern und besorgte mittlerweile den ganzen Haushalt, weil ihre Schwiegermutter körperlich zusehends abbaute. Hinzu kam, dass sie sämtliche Launen des vom Verlust der beiden Söhne geschlagenen Ehepaars ertragen musste.
Nach reiflicher Überlegung beschloss Jasmin, mit Jassîn direkt zu reden. Dafür fasste sie den Mittwochnachmittag ins Auge, also einen Zeitpunkt vor seinem Treffen mit all denen, die ihn zu dem Termin mit dem Schleuser begleiten wollten.
I ch traf Jassîn bei Sonnenuntergang, er kam gerade vom Feld. In seiner weissen Gallabija erleuchtete er den Himmel. Ich konnte nicht anders, unwillkürlich trat ich an ihn heran. Ich schaute mich um, wir waren allein. Also drängte ich mich an ihn, ich loderte wie Feuer. Sanft schob ich ihn zu dem Heuschober beim Tor, tat so, als sei ich gestolpert, und lag plötzlich im Stroh. Ich zog ihn an der Hand, so dass er auf meinen durstigen Körper fiel. Meine Haut dampfte förmlich, als wir miteinander verschmolzen. Gleich darauf sprang er auf und rannte zum Tor.
J asmin war schön wie der junge Morgen, ihr Körper hatte die wunderbarsten Proportionen, die es auf Erden gibt. Das Gesicht ein wahres Paradies. Die Brüste je eine Handvoll weisser Marmor. Die Figur rank und schlank wie eine indische Löwin. Das Becken ausladend wie das einer afrikanischen Gazelle, schien sie allzeit bereit, den Liebsten zu empfangen. Und Jassîn: Gross, breitschultrig, gutaussehend, hätte er ohne weiteres der Mann sein können, den Umm Kulthûm in dem Lied Ruinen mit den Worten besang: »Wo ist mein Liebster hin? Kraftstrotzend,
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