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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Schliesslich fügte sich Wahdân dem Willen des Vaters und baute einen Taubenturm, dessen gesamten Ertrag er behalten durfte.
    Scheich Sâlich investierte alles, was er mühsam zusammengespart hatte. 15 000 Pfund musste er aufbringen, 13 000 für den Bau des Turms mit 5000 Zellen und 2000 für die Tauben. Es wurde ein mächtiges Bauwerk, innen mit einer Holzleiter ausgestattet, die Zugang zu jeder Zelle bot. Aussen war der Turm zum Schutz vor Schlangen und Ratten rundum bis zu einer Höhe von zwei Metern mit Fliesen verkleidet. Den Eingang sicherte eine robuste Eisentür.
    Wahdân hatte den Turm vor etwa fünf Jahren fertiggestellt und anlässlich der Einweihung seine Cousine Hanîja geheiratet. Gott schenkte dem Paar keine Kinder und verwehrte aus einem Grund, den nur Er allein kennt, Wahdân auch jeden nennenswerten Gewinn aus dem Turm. Im ersten Jahr war eine Eule in den Bau eingedrungen, im dritten Jahr waren die Tauben von einer üblen Krankheit heimgesuchtworden. Dieses Jahr hatte hervorragend angefangen, die Tiere vermehrten sich wie erhofft. Doch kurz bevor Wahdân die Früchte seiner Arbeit ernten konnte, wurden die Tiere von einer Welle von Krankheiten überzogen und alle dahingerafft. Seither torkelte Wahdân nur noch durchs Leben. Er schloss sich im Turm ein und weinte tagelang. Manchmal glaubte er, eine Eule mit den Flügeln schlagen zu hören. Er kletterte die Leiter hoch und suchte wie besessen jede der 5000 Zellen einzeln ab. Hin und wieder hörte er die Eule sogar schreien. »Verschwinde, du Miststück!«, brüllte er. »Ich finde dein Versteck.« Aber er bekam sie nicht zu fassen und sank am Ende, schnaufend wie ein wütender Stier, auf den Boden.
    Wahdân sah nur noch einen Ausweg: wie alle anderen das Land zu verlassen. Scheich Sâlich hatte zwar vor dem Risiko des Ertrinkens gewarnt – dass sein eigener Sohn längst unterging, bekam er aber nicht mit. Er merkte nicht, dass Wahdân auch ohne Meer und Wellen ertrank, unterging in seinem Turm, während er darauf wartete, von der verdammten Eule verschlungen zu werden. So fasste Wahdân den Entschluss, heute im Café öffentlich und im Beisein des Vaters zu verkünden, dass er sich Abu Salâma anschliessen und das Geld für die Überfahrt notfalls auch stehlen werde.
    A ls ich Wahdân ertrinken sah, fragte ich mich, ob er vielleicht dran glauben musste, weil er eine Niere hergegeben hatte. Wahdân war der Erste. »Er ist nicht ertrunken, sondern an Herzversagen gestorben«, sagte der Mann am Kanister neben mir. Wahdâns Herz hat es einfach nicht verkraftet. Stirbt man nämlich durchErtrinken, dann steigt man erst nach vier Stunden wieder an die Wasseroberfläche, Wahdâns Körper aber trieb schon knapp fünf Minuten später wieder oben. Diese Frau Doktor Nivîn Adli, dachte ich, sie hatte Wahdân die Niere entnommen. Sie hat seine Konstitution und sein Herz derart geschwächt, dass er nicht mal mehr das Glaubensbekenntnis hatte aufsagen können. Möge Gott ihm das Tor ins Paradies öffnen. O Herr, erhöre meine Bitte, und gesteh ihm das Glaubensbekenntnis zu. Ich versuchte, Wahdân zu erreichen und seinen Körper auf den Rücken zu drehen. Vergeblich. Ein Strudel hatte mich erfasst, ich drehte mich, alles drehte sich mit mir, und meine Gedanken kreisten um das Krankenhaus und die Operation.
    Angefangen hatte alles im Juli, als wir nach Libyen aufbrachen. Wir kamen in die Stadt Suwâra, wo uns Abu Salâma mit Gamâl Ali bekannt machte, einem libyschen Offizier im Rang eines Hauptmanns, der die Überfahrt organisierte. Er nahm uns bei sich auf, von Montag bis Freitag blieben wir Tag und Nacht in seinem Haus. Am Freitagmorgen platzte unverhofft ein Mann herein. »Auf, Leute«, rief er, »macht euch bereit! Jetzt geht’s los.« Er gab uns nicht einmal die Zeit für das Gebet. Wir folgten ihm, unterwegs stiess Hauptmann Gamâl dazu. Sie führten uns an einen einsamen Strand, eine Ecke, an die sich keine Menschenseele verirrte. Dort warteten drei Männer. Jeder ein Handy am Ohr, telefonierten sie mit ernster Miene. Immer zu acht wurden wir mit einem kleinen Schlauchboot etwa 200 Meter aufs Meer hinaus zu einem Kahn gefahren, bis insgesamt sechsundachtzig Mann verladen waren.
    Der Kahn glich einem schäbigen Fischerboot. Kaum hatten wir uns in Bewegung gesetzt, fragten wir den Kapitän, wie schnell dieser Kahn fahren würde. »Ungefähr fünfundzwanzig Kilometerdie Stunde«, sagte er, nachdem er die Knoten umgerechnet hatte. Um genau ein Uhr,

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