Arche Noah | Roman aus Ägypten
Vergleich nur mal ein ägyptisches mit einem philippinischen Dienstmädchen. Beide kommen vom Land. Die Gelbe ist zwar unansehnlich, das ist richtig, aber zumindest ist sie sauber, ordentlich und gewissenhaft, und das von Natur aus. Die Ägypterin dagegen ist chaotisch und dreckig. Jahrelang gibst du dir Mühe, sie zu belehren, doch alles vergebliche Liebesmüh. Am Ende hintergeht sie dich und haut ab. Ein mieser Menschenschlag. Ich würde dir raten, dir eine von der gelben Rasse zuzulegen.«
»Und ich bin der Meinung, du solltest Hitler in der Hölle Gesellschaft leisten. Ich bleibe dabei, ich will diesen Tîfa!«
»Setz auf einen Ägypter, und du hast verloren, Talaat.«
Akram al-Mungis Vorhersage bestätigte sich nicht, Talaat verlor nicht im mindesten. Tîfa machte seinem Spitznamen vom ersten Arbeitstag an alle Ehre, ein echter Hansdampf in allen Gassen. Er war Koch, Kellner, Chauffeur, Entertainer, Sänger, vor allem aber das stets offene Ohr. Talaat fand in ihm den authentischen Charakter eines Ägypters wieder und brachte ihm all die Liebe entgegen, die er auch für seine Heimat empfand. Im Gegenzug gab Abdallatîf sein Bestes. Als sei Talaat ein Familienangehöriger, umsorgte er ihn liebevoll, ja hütete er ihn wie seinen Augapfel.
Die neuen Kompagnons der kuwaitischen Firma verspeisten die Ente, leckten sich vor Begeisterung sämtliche Finger und bekamen anschliessend als Ohrenschmaus Umm Kulthûm präsentiert, gesungen von Abdallatîf. Rundumverwöhnt, kam ihnen im Sinnenrausch eine Idee. Sie wollten Tîfa Gesangsstunden spendieren, damit er professionell in diese Kunst eingewiesen würde. Als Gegenleistung sollte er einmal wöchentlich in der Diwanîja 35 des Scheichs Sâlich einen orientalischen Liederabend geben. Schaukat Thâir stellte aber eine Bedingung: »Er muss Lieder von Nâsim al-Ghasâli 36 lernen.«
G estern war ein unglaublicher Tag, den vergesse ich nie, einfach traumhaft: Sonntag, der 5. März 2006. Mein Lehrer, Herr Emil, ein Palästinenser, kam mit einer alten Ud zu mir. »Lass mal etwas von Umm Kulthûm hören«, sagte er. Ich dachte, ich mache ihm eine Freude mit einem prolligen Lied von Sha’bola 37 , und schmetterte Ich hasse Israel. Aber Herr Emil hat sich darüber nicht gefreut, also sang ich ein Lied von Umm Kulthûm. »Aus dir kann was werden, deine Stimme hat Charakter«, sagte er, als er ging. Die Sache mit dem Charakter hat mir imponiert, denn daran hapert es ja bei mir, wahrscheinlich, weil sich meine Stimme alles gekrallt hat, was mir an Charakter mitgegeben wurde. Das würde auch erklären, warum ich so durchs Leben laviere.
Nachdem er gegangen war, bat ich, Aiman Subhi in Amerika anrufen zu dürfen, denn der 5. März war sein Hochzeitstag. Genau vor einem Jahr hatte er Hâgar geheiratet. Wo die Zeit nur geblieben ist, mir kommt es vor, als wäre erst ein Tag vergangen. Ein unvergesslicher Abend war das mit den vielen Blumen und dem wunderbaren Essen. Aiman ist ein anständiger Kerl. Seit ich ihn verlassen habe, ruft er regelmässig an, als wäre nie etwasvorgefallen. Am Tag, an dem ich nach Kuwait abreiste, versuchte ich, ihn anzurufen. Ich wollte ihm zu seinem Baby gratulieren, ich wusste, dass es ein Mädchen war und er ihr den Namen Sainab gegeben hatte. Aber sein Telefon war abgestellt, das passte gar nicht zu ihm. Jedenfalls habe ich ihn gestern angerufen und es im Nachhinein bitter bereut.
E nde September 1999 berief Talaat seinen Anwalt und seinen Steuerberater zu einer Sitzung ein. »Ich bin bereit, allein gegen Windmühlen zu kämpfen«, verkündete er. »Auf keinen Fall werde ich so feige sein wie meine Kompagnons und abhauen. Wenn mir das Land den Rücken kehrt, laufe ich eben herum, bis ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe, und dann schliesse ich es in die Arme.« Tag und Nacht schufteten sie, stellten die Vermögenswerte der Firma zusammen, eine Bilanz auf und erarbeiteten einen Tilgungsplan für die Restschuld. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um den Plan auch ja einzuhalten, denn die Bank sass ihm im Genick. Im Oktober begann er mit den Rückzahlungen.
In dieser Situation erwies sich Hind als grandiose Ehefrau. Er hatte sie aus Liebe geheiratet und wurde dafür mit Hingabe, Grossmut, Güte und menschlicher Wärme belohnt. Sie war im Besitz der Zauberformel. Sobald sie »Sesam, öffne dich!« rief, bot sich ihm das Paradies dar. In kritischen Momenten hatte er sich dennoch so manches Mal insgeheim gefragt, ob es wohl richtig gewesen
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