Arche Noah | Roman aus Ägypten
Sie hatten sich zum zehnjährigen Gründungsjubiläum ihres Import-Export-Unternehmens al-Fagr getroffen und mussten die Schliessung der Firma verkünden. Die ägyptische Regierung, vertreten durch den grossartigen Wirtschaftsminister, hatte ihrem Geschäft nämlich den Todesstoss versetzt. Daher waren die drei Partner in Trauerkleidung erschienen. Sie waren sich darüber im Klaren, dass sie wohl oder übel ihre Koffer packen mussten. Das war immer noch besser, als eines Tages im Gefängnis zu landen. Dort würden sie keinen Koffer mehr benötigen, nur einen blauen Anzug, und den gab dankenswerterweise Vater Staat aus.
Versammelt hatten sie sich im grossen Konferenzsaal mit herrlichem Ausblick auf den Nil. Ein atemberaubendesPanorama: rechts die Universitätsbrücke, dahinter die Abbâsbrücke, die etliche Studenten auf dem Gewissen hatte, 33 links eine beeindruckende Fontäne vor der Insel Samâlik, auf der sich einst der Sitz des Obersten Revolutionsrats 34 befunden hatte. An der Wand hing in einem pompösen goldenen Rahmen ein Foto, das am 1. September 1989 anlässlich der Firmengründung aufgenommen worden war. Lächelnd standen sie nebeneinander, zu dritt ein riesiges Messer umfassend und im Begriff, die Torte anzuschneiden. Eine überdimensionale Torte in Form einer Erdkugel.
D as Ende der Firma wurde im März neunundneunzig durch einen Regierungsbeschluss besiegelt und damit auch unsere Flucht. 1999 war ein unvergessliches Jahr. Das Ganze kam ohne jede Vorwarnung, Knall auf Fall hatte das Wirtschaftsministerium beschlossen, dass die Banken alle laufenden Kredite aufzukündigen und sämtliche Dokumentenakkreditive zu streichen hätten. Was für eine Katastrophe! Die Kredite gestrichen, einfach so. »Surprise«, ruft fröhlich eine Stimme, und du guckst dumm aus der Wäsche.
Überall auf der Welt werden Beschlüsse, die in einem solchen Ausmass die Bevölkerung betreffen, ein oder zwei Jahre vorher bekanntgemacht, geprüft und öffentlich diskutiert, so dass der Bürger die Gelegenheit hat, seine Angelegenheiten zu regeln. Nur in unserem Land nicht, hier werden Verordnungen mit sofortigerWirkung erlassen. Erschütternd ist dabei, dass unsere Minister allesamt studierte Leute sind, keine Ahnung, wie das zusammenpasst.
Als Importeure verdienen wir an der Masse. Weitaus grössere Gewinnspannen haben aber die Gross- und Einzelhändler. Das ganze Geschäft fusste auf bestimmten Verpflichtungen und Handlungsabläufen. Wir bekamen von den Banken einen Tilgungsplan aufgestellt, der sich an den zu erwartenden Gewinnen aus den nächsten Lieferungen orientierte und den wir selbstverständlich einhielten. Natürlich hatten auch wir mit gewissen Widrigkeiten zu kämpfen: geplatzte Wechsel der Grosshändler, erhebliche Zahlungsrückstände seitens staatlicher Firmen, ausserdem waren hier und da Schmiergelder vonnöten, ganz zu schweigen von den Zinsen. Also der pure Stress. Trotzdem lief es irgendwie, wir konnten uns halten. Bei einem Umsatz von einer halben Milliarde Pfund kann die Regierung aber nicht einfach kommen und alles durcheinanderbringen – ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung, ohne alles.
Was das Fass jedoch zum Überlaufen brachte, war der Zeitpunkt. Anfang 1999 brach die Konjunktur in Ägypten auf einmal ein, gnadenlos ging es abwärts. Die Lage war beschissen. Reihenweise beglichen die Händler ihre Rechnungen nicht. Sie waren eher bereit, ins Gefängnis zu gehen, als zu bezahlen, denn sie wurden die Ware ja nicht mehr los. Keiner hatte mehr Geld, um etwas zu kaufen. Die Lager waren im ganzen Land übervoll.
Und was tat die bekloppte Regierung samt ihren Banken in dieser Situation? Sie unterstützten Importeure, die mit südostasiatischen Ländern, wie Malaysia, Indonesien und Taiwan, Geschäfte gemacht hatten, als die Währungen dort in den Keller gingen. Ware, die im Einkauf ein Pfund gekostet hatte und in Ägypten grossen Absatz fand, war plötzlich nur noch ein Viertelpfund wert.Wie bescheuert haben die Importeure Kredite aufgenommen und eingekauft, ohne den Markt vorher analysiert zu haben. Und die Banken finanzierten das Ganze, bis es im Land keine Dollars mehr gab. Schliesslich überstieg das Angebot die Nachfrage bei weitem, und die ganze Ware stapelte sich in den Lagern.
Kurzum, schlau, wie sie sind, haben sie also die gesamten Devisenreserven für Produkte verschwendet, die sich nicht verkaufen liessen. Genau das Gleiche hatten sie bereits bei dem Bauprojekt an der Nordküste getan. Statt das
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