Arche
wir das noch einmal machen?«
»Ohne mich«, sagte Tyler, der heilfroh war, die Landung überstanden zu haben.
»Nun gib schon zu, dass es dir Spaß macht.«
»Dann frag mal meinen Magen. Der hängt noch auf der Plattform.«
Markson nahm im Sessel des Steuermanns Platz. Obwohl die Wellen das Rettungsboot von allen Seiten bearbeiteten, war es so seetüchtig wie ein Korken. Doch wer bei diesem Seegang schwimmen musste, kämpfte um sein Leben. Tyler rief sich noch einmal Dilaras Foto ins Gedächtnis und stellte sich vor, wie sie versuchte, sich über Wasser zu halten. Markson ließ den Dieselmotor an, und Tyler wies ihm die Richtung zur Unglücksstelle. Der Nebel verdichtete sich mit jeder Minute. Sie mussten sich beeilen. Sonst wäre ihre Chance, die Überlebenden zu bergen, gleich Null.
6. KAPITEL
Angestrengt versuchte Dilara Kenner, den Kopf des bewusstlosen Helikopterpiloten über Wasser zu halten. Zum Glück wurde der Mann von seinem Rettungsanzug getragen, sie musste nur verhindern, dass er abtrieb. Logan, der Kopilot, versuchte ihr zu helfen, aber sein Arm war gebrochen und er war vollauf damit beschäftigt, nicht ständig Wasser zu schlucken.
Die vier anderen Passagiere, Bohrarbeiter unterwegs zu ihrer
dreiwöchigen Schicht, hatte Dilara aus den Augen verloren. Sie waren vermutlich von der Strömung erfasst worden. Von ihnen war keine Hilfe zu erwarten. Von dem Kopiloten hatte sie erfahren, dass es auf der Plattform keinen Helikopter gab. Der nächste war zwei Stunden entfernt in St. John’s. Danach hatten sie sich nicht weiter unterhalten, um ihre Kräfte zu schonen.
Die Aussichten waren düster, doch das hatte sie auch damals beim Los-Angeles-Marathon gedacht. Die Vorstellung, zweiundvierzig Kilometer ohne Pause laufen zu müssen, hatte sie völlig entmutigt. Als sie sich dann aber einfach nur auf den nächsten Schritt konzentrierte, hatte sie schließlich doch das Ziel erreicht.
Sie zwang sich zu vergessen, dass der Hubschrauber frühestens in zwei Stunden kommen würde. Jetzt galt es, die nächste Minute zu überleben. Das größte Problem war ihr undichter Anzug, den sie sich beim Verlassen des Helikopters an einem scharfen Stück Metall aufgerissen hatte. Sie spürte, wie ihre Gliedmaßen langsam taub wurden.
»Ich werde müde«, sagte Logan. »Ich glaube, mein Anzug schwimmt nicht mehr.«
Dilara kämpfte verbissen. Sie wusste, dass es um ihr Leben ging. »Du wirst es schon schaffen, Logan. Verschwende deine Kraft nicht mit Reden. Halt nur den Kopf über Wasser.«
»Es kommt Nebel auf. Man wird uns nicht sehen.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Die finden uns schon.«
»Ich habe einen Krampf in den Beinen.«
»Logan, ich halte sowohl den Piloten als auch mich selbst über Wasser«, entgegnete sie. »Willst du etwa behaupten, dass du es nicht mit einer Frau aufnehmen kannst?«
Logan, der durchschaute, dass sie an seine Ehre appellieren wollte, lächelte schwach.
»Gut«, fuhr Dilara fort, als sie sah, dass ihre Worte wirkten. »Du bist also doch kein Waschlappen. Das freut mich.«
»Ich halte durch … wie du.«
»Schön. Ich habe die weite Reise nicht gemacht, um an dieser Stelle aufzugeben.«
Die Ironie lag darin, dass sie davon ausgegangen war, sie hätte die Reise bereits hinter sich – als plötzlich der Helikopter abstürzte. Sams Schicksal und seine kryptischen Worte waren anscheinend nur der Anfang ihres Abenteuers gewesen. Hayden. Oasis. Genesis. Sie konnte rein gar nichts damit anfangen. Und Sams Behauptung, ihr Vater habe das Ziel seines Lebens tatsächlich erreicht … irrsinnig.
Und dann seine Beteuerung, man habe ihn vergiftet! Doch andererseits: Musste Sam als Pharmakologe nicht wissen, wenn er vergiftet wurde? Aber warum sollte ihn überhaupt jemand vergiften wollen? Sie hätte ihm so gern geglaubt, wenn nur die ganze Geschichte nicht so abwegig gewesen wäre.
Im Flughafen-Pendelbus war ihr dann ein schwergewichtiger Mann in einem schwarzen Trenchcoat aufgefallen. Er schien sie mehrmals zu mustern, und da waren ihr Sams Worte wieder in den Sinn gekommen.
Geh … sonst bringen sie dich auch noch um.
Obwohl sie überzeugt war, an Verfolgungswahn zu leiden, hatte sie den Fahrer des Pendelbusses gebeten, bei ihrem Auto zu warten, bis sie abgefahren war. Sie war auf den Sepulveda Boulevard eingebogen, der bis zu ihrem Apartment in Santa Monica führte. Der Verkehr in Richtung Norden war vergleichsweise ruhig gewesen, sie hatte die linke Spur für sich allein. Da
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