Archer Jeffrey
irgendein Schwarzer meinen Posten will.«
»Ja, ich hab das Memo aus London gelesen. Diese verrückten Liberalen benehmen sich wie eine aufgescheuchte Straußenherde. Jetzt muss ich mich aber beeilen, Martinus, sonst komme ich zu spät zur Versammlung.«
»Tut mir Leid, Sie aufgehalten zu haben, alter Junge.«
Stoffel blickte auf die Uhr und rannte die Rampe zum Parkplatz hinunter. Als er sich in den Verkehr auf der Rhodes Street einreihte, erkannte er rasch, dass es ihm nicht mehr gelungen war, den Stau der Wochenendreisenden zu vermeiden.
Sobald er die Stadtgrenze hinter sich hatte, stieg er aufs Gas. Es waren nur knapp fünfundzwanzig Kilometer nach Noordhoek, doch die Straße war steil und kurvenreich. Da Stoffel aber jeden Zentimeter kannte, schaffte er die Strecke nach Hause für gewöhnlich in weniger als einer halben Stunde.
Er warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Mit etwas Glück blieb ihm zu Hause noch Zeit genug, zu duschen und sich umzuziehen, ehe er sich auf den Weg zur Versammlung machte.
Als er nach Süden auf die Straße abbog, die bergauf führte, trat Stoffel das Gaspedal durch und überholte die langsamer fahrenden Lastwagen und Autos, die mit der Strecke nicht so vertraut waren wie er. Er runzelte die Stirn, als er an einem schwarzen Fahrer vorbeischoss. der sich in einem alten, klapprigen Lieferwagen, der eigentlich gar nicht mehr zugelassen sein dürfte, den Berg hinaufplagte.
Stoffel jagte um die nächste Kurve und sah einen Lastwagen vor sich. Ehe die Straße danach wieder eine Biegung machte, lag ein langes, gerades Streckenstück vor ihm; er hatte also genügend Zeit, an dem Laster vorbeizukommen. Erneut stieg er aufs Gas und scherte aus. Doch er hatte die Geschwindigkeit des vor ihm fahrenden LKWs unterschätzt.
Als Stoffel nur noch etwa hundert Meter von der nächsten Kurve entfernt war, kam ihm plötzlich ein Wagen entgegen. Stoffel musste blitzschnell eine Entscheidung treffen. Sollte er auf die Bremse oder aufs Gas steigen? Er trat das Gaspedal durch, bis es beinahe den Wagenboden berührte, wobei er davon ausging, dass der andere Fahrer bremste. Er überholte den Laster und scherte so schnell es ging nach rechts ein; trotzdem konnte er nicht verhindern, dass er den Kotflügel des anderen traf. Einen Sekundenbruchteil sah er die entsetzten Augen des Fahrers, der zwar die Bremse durchgetreten hatte, aber über die Straße hinausgekommen war und über dem steilen Hang schaukelte. Stoffels Wagen prallte gegen die Leitplanken, ehe er auf die andere Straßenseite geschleudert wurde und schließlich in einer Baumgruppe zum Stehen kam.
Das war seine letzte Erinnerung, bevor er fünf Wochen später die Besinnung wiedererlangte.
Stoffel blickte auf und sah Inga neben seinem Bett stehen. Als sie bemerkte, dass er die Augen geöffnet hatte, drückte sie seine Hand und eilte aus dem Zimmer, um einen Arzt zu holen.
Als Stoffel das nächste Mal erwachte, standen Inga und der Arzt neben seinem Bett, doch es dauerte noch eine Woche, ehe der Arzt ihm erzählen konnte, was nach dem Unfall passiert war.
Stoffel hörte ihm in stummem Entsetzen zu, als er erfuhr, dass der andere Fahrer kurz nach der Einlieferung im Krankenhaus an seinen Kopfverletzungen gestorben war.
»Du hast Glück, dass du noch lebst«, sagte Inga.
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte der Arzt, »nur wenige Augenblicke nach dem Tod des anderen Fahrers kam es bei Ihnen zum Herzstillstand. Sie hatten großes Glück, dass sich im nächsten Operationssaal ein passender Spender befand.«
»Doch nicht etwa der Fahrer des anderen Wagens?«, wollte der aufgewühlte Stoffel wissen, obwohl er die Antwort schon ahnte.
Der Arzt nickte nur.
»Aber – war er nicht schwarz?«, fragte Stoffel ungläubig.
»Allerdings«, bestätigte der Arzt. »Doch es mag Sie vielleicht überraschen, Mr. van den Berg, dass es Ihrem Körper völlig gleichgültig ist. Sie sollten dankbar sein, dass die Frau des Verstorbenen der Transplantation zustimmte. Ich erinnere mich an ihre Worte.« Er legte eine Pause ein. »Sie sagte: ›Ich sehe keinen Sinn darin, dass beide sterben.‹ Wir verdanken es ihr, dass wir Ihr Leben retten konnten, Mr. van den Berg.« Er zögerte, schürzte die Lippen, dann fuhr er leise fort: »Aber ich muss Ihnen leider sagen, dass Ihre anderen Verletzungen so ernst sind, dass die Prognose trotz der erfolgreichen Herzverpflanzung nicht sehr gut ist.«
Stoffel schwieg eine Zeit lang; dann fragte er: »Wie lange habe ich
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