Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
Vom Netzwerk:
isländischen Übersetzungsrechte für meinen
Roman erwürbe.
„Wofür haben Sie sich entschieden?“ fragte ich mein
Gegenüber galant.
„Mittags esse ich am liebsten etwas Leichtes.“ Mein Seufzer
der Erleichterung kam etwas voreilig, denn „etwas Leichtes“
mußte keinesfalls „etwas Billiges“ bedeuten. Sie lächelte dem
Kellner zu, der nicht so aussah, als müßte er sich um seine
nächste Mahlzeit Sorgen machen, und bestellte nichts als eine
Scheibe Räucherlachs, zwei kleine, zarte Lammkoteletts und –
nach kurzem Zögern – einen schönen, winzigen Salat. Ich ließ meine Finger vorsichtig über die Zeilen gleiten, den Blick auf
die rechte Seite geheftet, wo die Preise stehen.
„Auch ich esse zu Mittag gerne leicht“, sagte ich anzüglich.
„Der ,Salat nach Art des Hauses’ wäre gerade das Richtige.“
Der Kellner empfand diese Bestellung sichtlich als Zumutung,
zog aber friedfertig ab.
Mein Vis-à-vis plauderte über Coppola und Preminger, Al
Pacino, Robert Redford und Greta Garbo, als ob sie täglich mit
ihnen Umgang pflegte. Netterweise hielt sie einmal kurz inne,
um mich zu fragen, woran ich gerade arbeitete. Wie ich es
meiner Frau beibringen sollte, daß sich auf unserem
Bankkonto noch dreiundsechzig Pennies befanden, wäre eine
ehrliche Antwort gewesen; statt dessen sprach ich über meinen
nächsten Roman, und sie schien beeindruckt. Ihren Mann hatte
sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwähnt. Sollte ich den
Anfang machen? Nein. Das klänge ja so, als wäre ich in
Geldnöten.
Das Essen wurde aufgefahren – das heißt, ihr Lachs wurde
angerollt, und ich sah stumm zu, wie sie mein Bankkonto
verzehrte, während ich an einem Brötchen knabberte. Als ich
aufblickte, merkte ich, daß der Sommelier sich an mich
herangepirscht hatte.
„Möchten Sie nicht ein Glas Wein?“ fragte ich sie in einem
Anfall von Leichtsinn.
„Nein, danke, ich glaube nicht.“ Ich hatte mich zu früh
gefreut: „Oder vielleicht doch einen Schluck – weiß und
trocken.“
Der Sommelier überreichte mir Band II der Speisekarte,
ebenfalls in Leder gebunden, verziert mit einer goldenen
Weintraube. Ich tränke mittags niemals Wein, erklärte ich
meinem Gast, suchte verzweifelt nach Halbliterflaschen und
wählte die billigste Sorte. Das Fläschchen kam in Sekundenschnelle; es steckte in einem mächtigen, mit Eis
gefüllten Sektkübel und wirkte darin recht verloren. Ein Kellner servierte ab, ein zweiter schob einen Wagen an
den Tisch, auf dem sich Madames Lammkoteletten und mein
Salat nach Art des Hauses befanden, ein dritter komponierte
auf einem Beistelltischchen einen exquisiten Salat für meinen
Gast. Dieser Salat fiel doppelt so groß aus wie der meine –
aber ich konnte meine Tischgenossin nicht gut bitten, mit mir
zu tauschen.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: mein Salat schmeckte
vorzüglich; ich konnte ihn nur nicht so recht genießen, da mich
der Gedanke verfolgte: was mache ich, wenn die Rechnung
mehr als siebenunddreißig Pfund beträgt?
„Es war wirklich dumm von mir, zum Lamm weißen Wein zu
bestellen“, flötete mein Gegenüber, allerdings erst, nachdem
sie die Flasche fast bis zur Neige geleert hatte. Ich bestellte ihr
eine Flasche Roten, Hausmarke – ohne die Weinkarte ein
weiteres Mal zu befragen.
Nach dem letzten Schluck Weißwein erging sie sich in einem
Monolog über Theater, Musik und Schriftsteller. Sie schien
alle lebenden Autoren zu kennen, tote nahm sie offenbar nicht
zur Kenntnis. Mir hätte ihr Vortrag sicher Spaß gemacht, wäre
da nicht die drohende Frage gewesen, ob ich mir diesen Spaß
auch würde leisten können. Nachdem der Kellner den Tisch
abgeräumt hatte, fragte er meine Begleiterin, ob sie noch etwas
wünsche.
„Danke, nichts mehr“, sagte sie – und ich wollte schon
aufatmen – , „es sei denn, es gibt noch euren hervorragenden
Apfelkuchen.“
„Madame, ich fürchte, die letzte Portion wurde soeben
bestellt, aber ich werde nachsehen.“
Lassen Sie sich Zeit – wollte ich ihm nachrufen; statt dessen
lächelte ich nur, während sich der Strick um meinen Hals immer enger zusammenzog. Nach wenigen Minuten erschien der Kellner wieder – hoch über seinem Haupt den Apfelkuchen balancierend. Heiliger Newton, betete ich, möge der Kuchen
sich jetzt an dein Gesetz erinnern…
Er erinnerte sich nicht.
„Das letzte Stück, Madame.“
„Wie schön!“ sagte sie.
„Ja, wie schön!“ sagte auch ich. Ich fand nicht mehr den Mut,
auf der Speisekarte den Preis des süßen

Weitere Kostenlose Bücher