Archer Jeffrey
neben Eduardos blausilberner Boeing 707. Die Mitarbeiter beider Firmen bestiegen den hinteren Teil der Maschine, ebenfalls in Diskussionen über das Straßenbauprojekt in Amazonien vertieft. Ein Korporal sprang aus dem vordersten Auto und öffnete den Wagenschlag, so daß die beiden Unternehmer direkt die Stufen der vorderen Gangway hinaufschreiten konnten.
Als Eduarde aus dem Mercedes stieg, schlug der nigerianische Chauffeur schneidig die Hacken zusammen. „Auf Wiedersehen, Sir“, sagte er und entblößte noch einmal die gewaltige Reihe weißer Zähne.
Eduardo sagte nichts.
„Ich hoffe“, setzte der Korporal höflich hinzu, „Sie haben gemacht sehr großes Geschäft in Nigeria.“
Der Lunch
Es war im Hotel St. Regis in New York. Sie winkte mir vom anderen Ende des überfüllten Saales zu. Ich winkte zurück, denn ihr Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich wußte nicht, wo ich es hintun sollte. Sie drängte sich an Kellnern und Gästen vorbei und stand vor mir, ehe ich jemanden nach ihrem Namen hätte fragen können. Wohl oder übel mußte ich also auf einen alten Trick zurückgreifen und ihr vorsichtig unverfängliche Fragen stellen, um mit Hilfe der Antworten mein Gedächtnis wieder in Schwung zu bringen.
„Wie geht es, Darling?“ rief sie, indem sie mir um den Hals fiel. Das brachte mich freilich keinen Schritt weiter, denn auf einem Empfang des Schriftstellerverbandes fällt jeder jedem um den Hals, nicht einmal die Leiter des Book-of-the-MonthClubs bleiben ungeschoren. Ihrer Aussprache nach war sie eindeutig Amerikanerin, ihrem Aussehen nach etwa um die Vierzig, vielleicht auch um die Fünfzig – die Kunstgriffe der Kosmetik können einen da leicht in die Irre führen. Sie trug ein bodenlanges, weißes Cocktailkleid und ihr aufgetürmtes blondes Haar erinnerte an einen Zuckerhut. Sie sah aus wie die Weiße Königin auf einem Schachbrett. Der Zuckerhut war leider auch kein Anhaltspunkt – bei unserer letzten Zusammenkunft konnte sie ebenso gut offenes, langes schwarzes Haar getragen haben. Wenn Frauen nur nicht immerzu ihre Frisur wechselten – es verändert sie bis zur Unkenntlichkeit, doch offenbar ist das ja auch der Zweck der Übung.
„Danke, mir geht es gut“, erwiderte ich der Weißen Königin, worauf ich meinerseits die Partie mit der Frage eröffnete: „Und wie geht es Ihnen?“
„Gut geht’s mir, Liebling“, zwitscherte sie und nahm ein Glas
Champagner.
„Und was macht die Familie?“ Das war gewagt. Hatte sie
überhaupt Familie?
„Alle sind wohlauf“, antwortete sie. „Und wie geht es
Louise?“
„Ausgezeichnet“, sagte ich. Sie kannte also meine Frau.
Vielleicht aber auch nicht, überlegte ich dann, denn die
meisten Amerikanerinnen haben ein unglaublich gutes
Gedächtnis für die Namen der Ehefrauen anderer Männer, was
in einer Stadt wie New York in Anbetracht des häufigen
Wechsels einer Meisterleistung gleichkommt.
„Waren Sie in letzter Zeit in London?“ brüllte ich in den
Party-Lärm hinein. Auch das war eine gewagte Frage –
vielleicht war sie überhaupt noch nie in Europa gewesen? „Nur ein einziges Mal seit unserem Lunch damals.“ Sie sah
mich fragend an, während sie ein Würstchen verschlang. „Sie
haben keine Ahnung mehr, wer ich bin, stimmt’s?“
„Was denken Sie, Susan – wie könnte ich Sie je vergessen?“ Sie lächelte.
Gut, daß mir der Name der Weißen Königin noch rechtzeitig
eingefallen war. An die Dame konnte ich mich zwar nur
dunkel erinnern, der Lunch hingegen war ein unvergeßliches
Erlebnis gewesen.
Mein erstes Buch war soeben erschienen. Die Kritiken waren
eher ermutigend, die Abrechnung meines Verlegers weniger.
Mein Agent hatte mir des öfteren zu bedenken gegeben, daß
man mit Schreiben kein Geld verdienen könne. Ich wiederum
konnte mir nicht vorstellen, wie ich anders als durch Schreiben
Geld verdienen sollte.
Etwa zu dieser Zeit rief mich einmal eine Dame aus New
York an und erging sich in Lobeshymnen über meinen Roman.
Ein solcher Anruf macht jedem Schriftsteller Freude (obwohl
ich zugeben muß, daß mir die Freude einmal verging, als ein
elfjähriges Mädchen aus Kalifornien mir in einem R-Gespräch
mitteilte, daß sie auf Seite siebenundvierzig einen Druckfehler
entdeckt hätte; sie drohte mir mit einem weiteren Anruf, falls
sie noch einen zweiten finden sollte.). Die vorher erwähnte
Dame jedenfalls ließ gegen Ende des Transatlantik-Gesprächs
ganz nebenbei ihren Namen fallen. Es war einer jener Namen,
die man nur zu nennen
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