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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
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Kunstwerks zu
erkunden, denn ich ahnte, daß ein Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen der Rechnung und meiner Barschaft bevorstand. „Wünscht die Dame noch etwas?“
Ich hielt den Atem an.
„Nur einen Kaffee“, antwortete sie.
„Und der Herr?“
„Nein, danke.“
Nun durchwühlte sie ihre umfangreiche Gucci-Handtasche
und förderte ein Exemplar meines Romans zutage. Ich versah
es mit einer schwungvollen Unterschrift – in der stillen
Hoffnung, der Kellner würde daraus den Schluß ziehen, daß
ich die Rechnung ebenso schwungvoll unterschreiben würde.
Aber just in dem Augenblick, als ich „ein unvergeßliches Fest“
neben meine Unterschrift setzte, war natürlich weit und breit
kein Kellner zu sehen.
Während meine liebenswerte Freundin ihren Kaffee schlürfte,
bat ich um die Rechnung. Nicht, daß ich es besonders eilig
gehabt hätte – aber möchte nicht auch ein Delinquent sein
Strafausmaß so schnell wie möglich erfahren? Nun erschien
ein Mann, den ich vorher noch nicht gesehen hatte. Er trug
eine prunkvolle grüne Uniform und präsentierte mir ein
silbernes Tablett, auf dem ein großes, gefaltetes Blatt Papier
lag, das eine gewisse Ähnlichkeit mit meinem Kontoauszug
aufwies. Ich schielte nach der Summe: sechsunddreißig Pfund und vierzig Pennies. Mit legerer Geste ließ ich meine Hand in die Rocktasche gleiten, zog meine gesamte Barschaft heraus und legte die neuen, knisternden Banknoten auf den Silberteller. Der Grünbefrackte verschwand damit und kam nach wenigen Minuten mit den sechzig Pennies Wechselgeld zurück. Ich steckte sie schnell ein, um nicht zu Fuß nach Hause gehen zu müssen. Der Blick, den mir der Grüne daraufhin zuschleuderte, hätte ihm eine Hauptrolle in jedem Film sichern können, den der Gatte meiner vornehmen Begleiterin
produzierte.
Meine Gönnerin erhob sich, schritt durch das Lokal und
winkte Leuten zu, die ich nur aus den Klatschspalten der
Illustrierten kannte. Ich half ihr in den Nerzmantel; Trinkgeld
gab es auch diesmal nicht.
Vor dem Restaurant fuhr ein dunkelblauer Rolls-Royce vor.
Ein livrierter Chauffeur sprang heraus und öffnete die Türe für
Madame. Sie stieg ein.
„Auf Wiedersehen, Darling“, rief sie mir zu, „und danke für
den herrlichen Lunch.“
„Auf Wiedersehen“, sagte ich und nahm meinen ganzen Mut
zusammen. „Ich hoffe, nächstens auch Ihren berühmten Mann
kennenzulernen, wenn Sie beide wieder einmal nach London
kommen…“
„Ach, Darling, wußten Sie denn nicht?“ fragte sie erstaunt
durch das Fenster des Rolls-Royce.
„Was denn?“
„Wir sind seit einer Ewigkeit geschieden.“
„Geschieden?“ Ich stand da und sah sie hilflos an. „Ach, machen Sie sich keine Sorgen um mich. Es war
wahrhaftig kein großer Verlust. Im übrigen habe ich vor
kurzem wieder geheiratet“ – hoffentlich wieder einen
Filmproduzenten! betete ich – , „ich hatte eigentlich erwartet,
ihn hier zu treffen. Er ist der Besitzer dieses Restaurants.“ Hierauf glitt das Autofenster sanft in die Höhe, der RollsRoyce entschwand meinen Blicken, und ich machte mich auf den Weg zur nächsten Bus-Station.
    Bei dem Empfang des Schriftstellerverbandes sah ich sie im Geiste noch einmal in dem Rolls-Royce entschweben, während ich versuchte, mich auf die Worte der Weißen Königin zu konzentrieren.
    „Ich wußte es ja, Darling, daß du mich nicht vergessen würdest“, flötete sie. „Schließlich habe ich dich einmal zum Lunch ausgeführt.“

Das erste Wunder
    Am morgigen Tag sollte das Jahr 1 n. Chr. anbrechen, doch das hatte ihm niemand gesagt.
    Und hätte es ihm jemand gesagt, er hätte es nicht verstanden, denn seines Wissens war es das 43. Jahr der Regentschaft des Kaisers, und außerdem hatte er überhaupt ganz andere Dinge im Kopf. Seine Mutter war ihm immer noch böse, und er mußte zugeben, daß er sich an diesem Tag – selbst für einen Dreizehnjährigen – schlecht benommen hatte. Den Krug hatte er allerdings nicht absichtlich fallen lassen, als sie ihn zum Brunnen um Wasser geschickt hatte. Er versuchte seiner Mutter zu erklären, daß es nicht seine Schuld gewesen sei, daß er über einen Stein gestolpert war; das zumindest stimmte ja auch. Nicht gesagt hatte er ihr allerdings, daß er gerade dabei gewesen war, einem streunenden Hund nachzujagen. Und dann war da noch dieser Granatapfel; wie hätte er wissen sollen, daß es der letzte gewesen war und für seinen Vater aufgehoben werden sollte? Nun fürchtete sich der Junge vor der Rückkehr des Vaters und der

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