Archer Jeffrey
schließlich, „laß uns abendessen gehen.“
Victoria stand loyal, aber lustlos auf, um sich für das Abendessen umzukleiden, während Henry mit angezogenen Knien in der Badewanne saß und mühsam versuchte, sich vom Schmutz der Reise zu befreien.
Diesmal ließ er an der Rezeption telefonisch ein Taxi bestellen und einen Tisch im „Maxim“ reservieren.
Der Taxilenker, der sie ins „Maxim“ brachte, akzeptierte eine Pfundnote als Bezahlung, doch als Henry und seine Frau das große Restaurant betraten, erkannten sie niemanden und niemand erkannte sie. Ein Kellner führte sie zu einem kleinen Tisch direkt neben dem Orchester, wo sie eingeklemmt zwischen zwei anderen Pärchen saßen. Zum Empfang spielte das Orchester „Alexander’s Rag Time Band“.
Sie bestellten Hummer und Langusten, die tatsächlich ausgezeichnet waren und alle Erwartungen, die Henry in das „Maxim“ gesetzt hatte, erfüllten, doch weder Victoria noch er sahen sich imstande, eine ganze Portion zu bewältigen, so daß der größte Teil der Speisen auf ihren Tellern liegen blieb.
Henry hatte große Mühe, den neuen Oberkellner davon zu überzeugen, daß der Hummer hervorragend gewesen sei, sie aber dennoch eigens ins „Maxim“ gekommen waren, um ihn stehenzulassen. Beim Kaffee ergriff er Victorias Hand und bat sie um Verzeihung.
„Laß uns zum Abschluß dieser Komödie zur Madeleine gehen, wo ich dir die versprochenen Blumen schenken möchte“, sagte er. „Paulette wird wahrscheinlich nicht vor der Kirche stehen, um dich willkommen zu heißen, aber irgend jemanden werden wir schon finden, der uns Rosen verkauft.“
Henry bat um die Rechnung und zog seine letzte Fünfpfundnote aus der Tasche. Im Maxim wird ausländische Währung stets gerne angenommen, und der Gast kann sicher sein, hier nicht mit Wechselgeld belästigt zu werden. Hand in Hand wanderten sie zur Madeleine. Diesmal sollte Henry recht behalten: Paulette war nirgendwo zu sehen. An ihrer Stelle stand an der Straßenecke eine alte Frau mit Kopftuch und einer Warze auf der Nase inmitten der schönsten Blumensträuße.
Henry wählte ein Dutzend besonders langstieliger roter Rosen aus und legte sie seiner Braut in den Arm. Die alte Frau bedachte Victoria mit einem Lächeln.
Victoria lächelte freundlich zurück.
„Dix francs, monsieur“, sagte die alte Frau zu Henry. Henry durchwühlte vergeblich seine Taschen; er hatte sein gesamtes Bargeld ausgegeben. In ratloser Verzweiflung sah er die alte Frau an, die lächelnd die Hände hob und sagte:
„Mach dir nichts draus, Henry, ich schenk sie dir. Zum Andenken an alte Zeiten.“
Eine Frage des Prinzips
Sir Hamish Graham besaß viele der Qualitäten, aber auch die meisten Mängel, welche die Herkunft aus einer bürgerlichen schottischen Familie mit sich zu bringen pflegt. Er hatte eine ordentliche Erziehung genossen, war fleißig und rechtschaffen, zugleich jedoch auch engstirnig, starrköpfig und stolz. Unter keinen Umständen hätte er sich den Genuß eines Gläschen Schnaps gestattet, und er mißtraute grundsätzlich allen Menschen, die nicht nördlich des Hadrianwalls geboren waren, sowie einem großen Teil der dort geborenen auch.
Nach seiner Studienzeit an der Schule in Fettes, für die er eines der kleineren Stipendien erhalten hatte, und an der Universität in Edinburgh, wo er die Ingenieurprüfung mit gutem Erfolg ablegte, wurde er aus einer Gruppe von zwölf Bewerbern für eine Ausbildungsstelle bei der Internationalen Hoch- und Tiefbaugesellschaft TarMac ausgewählt (so benannt nach ihrem Gründer J. L. McAdam, der entdeckt hatte, daß eine Mischung aus Teer und Steinen das beste Material für den Straßenbau sei). Der neue Mitarbeiter war dank seines Fleißes und seines kompromißlosen Einsatzes bald der jüngste und unbeliebteste Projektleiter. Mit dreißig wurde Graham zum Stellvertreter des Direktors von TarMac ernannt, und schon damals dämmerte ihm, daß er keinen weiteren Aufstieg erhoffen durfte, solange er Angestellter blieb. Deshalb begann er zu überlegen, ob er nicht eine eigene Gesellschaft gründen sollte. Als zwei Jahre später Sir Alfred Hickmann, der Aufsichtsratsvorsitzende von TarMac, Graham die Gelegenheit bot, dem in den Ruhestand tretenden Generaldirektor auf dessen Sessel nachzufolgen, kündigte er augenblicklich. Wenn Sir Alfred der Meinung war, er besäße die Fähigkeit, ein Unternehmen wie TarMac zu leiten, dachte er, dann war er wohl auch fähig, eine eigene Gesellschaft zu gründen.
Schon am
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