Archer Jeffrey
nächsten Tag besuchte der junge Hamish Graham den Filialleiter der Bank von Schottland, der die TarMacKonten betreute, und mit dem er zehn Jahre lang Geschäfte abgewickelt hatte. Graham erklärte dem Bankdirektor seine Zukunftspläne und legte ihm einen im Detail ausgearbeiteten schriftlichen Vorschlag auf den Tisch; gleichzeitig ersuchte er, seinen Kreditrahmen von 50 Pfund auf 10.000 Pfund zu erhöhen. Drei Wochen später erfuhr Graham, daß man über sein Ansuchen günstig entschieden hatte. Er behielt seine Wohnung in Edinburgh und mietete gleichzeitig im Norden der Stadt ein Büro (oder genauer gesagt ein Zimmerchen, für das die Miete zehn Shilling pro Woche betrug). Er erwarb eine Schreibmaschine, stellte eine Sekretärin ein und ließ sich ein einfaches Geschäftsbriefpapier drucken. Nach einem weiteren Monat, den er damit verbrachte, unermüdlich Bewerber zu interviewen, stellte er zwei Ingenieure ein, die beide ihr Diplom an der Universität von Aberdeen erworben hatten, sowie fünf Arbeitslose aus Glasgow.
Während der ersten Wochen seiner Selbständigkeit bewarb er sich um mehrere kleine Straßenbauaufträge im flacheren Teil Schottlands, doch erhielt er auf seine ersten sieben Offerte hin keinen einzigen Auftrag. Solche Angebote zu erstellen ist immer knifflig und oft kostspielig, so daß Graham sich nach den ersten sechs Monaten in der Firma fragen mußte, ob seine plötzliche Trennung von TarMac nicht töricht gewesen sei. Zum erstenmal m seinem Leben befielen ihn Selbstzweifel, doch verflogen diese rasch wieder dank der Bezirkshauptmannschaft von Ayrshire, die sein Angebot für den Bau einer Nebenstraße annahm, durch die eine Verbindung zwischen einer geplanten Schule und der Hauptstraße geschaffen werden sollte. Diese Straße hatte zwar nur eine Länge von einem halben Kilometer, aber der Auftrag beschäftigte Grahams kleine Mannschaft sieben Monate lang, und nachdem alle Rechnungen beglichen und alle Kosten gebucht waren, zeigte sich, daß die Graham-Baugesellschaft einen Nettoverlust von hundertdreiundvierzig Pfund und zehn Shilling erlitten hatte.
Immerhin verblieb auf der Habenseite ein einigermaßen guter Ruf, der die Bezirkshauptmannschaft von Ayrshire veranlaßte, ihn zu einer Bewerbung für den Schulbau am Ende der neuen Straße einzuladen. Dieser Auftrag brachte der GrahamBaugesellschaft einen Gewinn von 420 Pfund und trug zu einer weiteren Verbesserung des Rufes der Firma bei. Von da ab entwickelte sich die Graham-Baugesellschaft immer vorteilhafter, und schon im dritten Jahr ihrer Tätigkeit konnte Graham einen kleinen Gewinn vor Steuer ausweisen, der in den nächsten fünf Jahren Jahr für Jahr stieg. Als die GrahamBaugesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, hätte man zehnmal so viel Aktien verkaufen können als angeboten wurden, und die Anteile der neuen AG galten bald als erstklassige Anlage, was Graham als eine beachtliche Leistung anzurechnen war. Doch weiß man eben an der Börse Männer zu schätzen, deren Unternehmen ein stetiges Wachstum aufweist, und bei denen man darauf vertrauen kann, daß sie sich nicht auf unnötige Risiken einlassen.
In den sechziger Jahren errichtete die GrahamBaugesellschaft Autostraßen, Krankenhäuser, Fabriken, ja sogar ein Kraftwerk, aber die Leistung, auf die ihr Gründer am stolzesten war, war der Neubau der Kunsthalle von Edinburgh, zugleich auch der einzige Bauauftrag, der sich in der Jahresbilanz als Verlust niederschlug. Die Kolumne der unsichtbaren Gewinne jedoch verzeichnete die Verleihung einer Baronie für den Aufsichtsratsvorsitzenden.
Sir Hamish beschloß, es sei nun Zeit, sich nach neuen, größeren Aufgaben für die Graham-Baugesellschaft umzusehen, und wie so viele Generationen von Schotten vor ihm, wandte er seine Aufmerksamkeit naheliegenderweise dem Markt zu, den das British Empire bot. Bauaufträge in Australien und Kanada finanzierte er selbst, Aufträge in Indien und Afrika mit Unterstützung der britischen Regierung. 1963 ernannte ihn die Times zum „Geschäftsmann des Jahres“, und der Economist drei Jahre später zum „Spitzenmanager des Jahres“. Sir Hamish dachte nicht daran, seine Geschäftsmethoden den Veränderungen anzupassen, die die Zeit mit sich brachte, ja, man kann sagen, er hielt nur noch sturer an seinen Prinzipien fest: was immer andere Leute davon halten mochten, seine Vorstellungen, wie ein Geschäft zu führen sei, waren auf alle Falle richtig, und er hatte eine lange Liste von
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