Archer Jeffrey
den Mund steckte. Er versuchte sich zu wehren und erhielt einen schmerzhaften Stoß in die Rippen. Dann wurde er eine schmale Treppe hinuntergeschleift und auf einen Holzboden geworfen. Zusammengebunden wie ein Huhn lag er ungefähr zehn Minuten da, bevor er das Motorengeräusch hörte und die Bewegung des Schiffes spürte. Der Verteidigungsminister konnte sich weitere fünfzehn Minuten lang nicht bewegen.
»Laßt sie frei«, hörte Simon eine Stimme in klarem OxfordEnglisch. Der Strick um seine Arme wurde gelöst, Augenbinde und Knebel entfernt. Über den Verteidigungsminister beugte sich ein Froschmann, schwarz vom Scheitel bis zur Sohle; seine weißen Zähne glänzten. Simon war etwas betäubt, als er sich umdrehte und sah, daß auch Sir John von seinen Fesseln befreit wurde.
»Ich muß mich entschuldigen, Herr Minister«, sagte dieser, »aber ich bat den Kapitän, den Kommandanten des U-Bootes nicht über unsere Anwesenheit zu informieren. Wenn ich das Leben von zweihundertsiebzehn meiner Leute aufs Spiel setze, wollte ich sichergehen, daß die Leute vom Special Boat Service ihre Arbeit verstehen.« Simon stand auf, während der fast zwei Meter große Riese immer noch grinste.
»Gut, daß wir die Premierministerin nicht auf diesen Ausflug mitgenommen haben«, sagte Sir John.
»Ganz meine Meinung«, erwiderte Simon und sah zu dem Riesen auf. »Sie hätte ihm das Genick gebrochen.« Alles lachte außer dem Froschmann, der nur die Lippen verzog.
»Was ist los mit ihm?« erkundigte sich Simon.
»Wenn er während der ersten sechzig Minuten auch nur einen Ton von sich gibt, hat er keine Chance, dem endgültigen Team anzugehören.«
»Ich wollte, die Konservativen hätten ein paar solche Hinterbänkler«, sagte Simon, »besonders morgen, wenn ich dem Unterhaus erklären muß, warum ich nichts unternehme.«
Um 3 Uhr 49 war die Brillant eine Meile von den Hoheitsgewässern entfernt. Die Schlagzeilen der Zeitungen an diesem Morgen reichten von »Diplomatischer Sieg« in The Times bis zu »Gaddafi, der Pirat« im Mirror.
Bei einer Zusammenkunft der wichtigsten Kabinettsmitglieder am folgenden Tag um zehn Uhr berichtete Simon der Premierministerin von seinen Erlebnissen bei der Operation »Ladendieb.« Kaum hatte er geendet, ergriff Charles das Wort: »Aber nach unserem überwältigenden Sieg bei den Vereinten Nationen wäre es vernünftiger, alles zu verschieben, was als ein klarer Akt der Aggression ausgelegt werden kann.«
»Wenn das Special Boat Service nicht morgen in Aktion tritt, müssen wir einen Monat lang zuwarten«, unterbrach ihn Simon. Alle Blicke richteten sich auf ihn.
»Warum?« fragte Mrs. Thatcher.
»Weil morgen der Ramadan zu Ende geht, die Zeit, in der man während des Tages weder essen noch trinken darf. Traditionsgemäß finden die großen Eß- und Trinkgelage am folgenden Tag statt, das heißt, morgen nacht ist unsere beste Chance, die Guerillas unvorbereitet zu überraschen. Ich habe die ganze Operation in Rosyth miterlebt; jetzt sind die Leute schon auf dem Weg zu den U-Booten und bereiten sich auf den Angriff vor. Es ist alles so genau ausgeklügelt, daß wir einen solchen strategischen Vorteil nicht aus der Hand geben dürfen.«
»Das sind schwerwiegende Gründe«, stimmte Mrs. Thatcher zu. »Das Wochenende liegt vor uns, und wir können nur beten, daß diese leidige Angelegenheit bis Montag früh bereinigt ist. Setzen wir heute nachmittag für das Unterhaus unser Verhandlungsgesicht auf. Ich erwarte eine überzeugende Vorstellung von Ihnen, Charles.«
Als Andrew an diesem Donnerstagnachmittag um halb vier aufstand, um ein zweitesmal eine außerordentliche Debatte zu verlangen, gab der Speaker seinem Ansuchen statt und erklärte, daß die Dringlichkeit der Angelegenheit einen Beginn der Debatte um sieben Uhr abends rechtfertigte.
Der Saal leerte sich rasch; die Abgeordneten bereiteten ihre Reden vor, obwohl alle wußten, daß bestenfalls zwei Prozent darauf hoffen konnten, aufgerufen zu werden.
Der Speaker verließ das Unterhaus und kehrte fünf vor sieben zurück, um den Vorsitz von seinem Stellvertreter zu übernehmen.
Um sieben Uhr, als Charles und Simon den Saal betraten, befanden sich die siebenunddreißig SBS-Leute an Bord des UBootes Conqueror, das ungefähr sechzig Seemeilen von der libyschen Küste entfernt auf dem Boden des Ozeans lag. Ein zweites U-Boot, Courageous, war zehn Meilen von ihm entfernt. Während der letzten zwölf Stunden hatte keines der UBoote die Funkstille
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