Archer Jeffrey
nur zur Untergrabung der Moral unserer gesamten militärischen Streitkräfte führen können. Je länger wir eine solche Entscheidung verzögern, desto schwieriger wird unsere Aufgabe. Die Stabschefs arbeiten soeben die letzten Details eines Planes mit dem Codenamen ›Ladendieb‹ aus, der ihrer Meinung nach in den nächsten achtundvierzig Stunden ausgeführt werden müßte, wenn die Mannschaft und das Schiff gerettet werden sollen.« Simon sprach sich dafür aus, während dieser Operation alle diplomatischen Kanäle offenzuhalten, damit das Rettungsteam das Überraschungsmoment voll nutzen könne.
»Und wenn Ihr Plan fehlschlägt?« fragte Charles. »Wir laufen Gefahr, nicht nur die Broadsword und ihre Mannschaft zu verlieren, sondern auch die Sympathien der ganzen Welt.«
»Es gibt keinen Offizier in der britischen Marine, der einverstanden wäre, das Schiff in libyschen Gewässern zu belassen, während wir über eine Lösung verhandeln, die im besten Fall die Rückgabe der Broadsword zu einem Zeitpunkt erwirken kann, der den Guerillas genehm ist – gar nicht zu reden von der Demütigung unserer Marine. Gaddafi kann leicht über die Vereinten Nationen lachen, nachdem es ihm gelungen ist, nicht nur eine unserer modernsten Fregatten zu kapern, sondern auch die Schlagzeilen der gesamten Weltpresse zu beherrschen. Ebenso wie Khomeini wird er diesen Zustand so lange wie möglich aufrechterhalten wollen. Diese Schlagzeilen demoralisieren unsere Landsleute und könnten eine ähnliche Wahlniederlage herbeiführen wie diejenige Carters nach dem Debakel mit den Geiseln in der amerikanischen Botschaft in Teheran.«
»Es wäre töricht, ein so überflüssiges Risiko einzugehen, solange die Sympathien der Welt auf unserer Seite sind«, protestierte Charles. »Wir wollen lieber noch ein paar Tage zuwarten.«
»Wenn wir warten«, sagte Simon, »fürchte ich, daß die Mannschaft der Broadsword in ein Militärgefängnis überstellt wird. Dann müssen wir uns auf zwei Orte konzentrieren, und Gaddafi kann in der Wüste herumsitzen und die Verhandlungen so lange hinauszögern wie es ihm gefällt.«
Simon und Charles brachten Argumente und Gegenargumente vor, während die Premierministerin zuhörte und die Meinungen der übrigen Kollegen zur Kenntnis nahm, um zu sehen, ob eine Mehrheit für dieses oder jenes Vorgehen vorhanden war. Drei Stunden später, als jeder sich geäußert hatte, stand auf dem vor ihr liegenden Notizblock: 14:9.
»Ich glaube, wir haben alles besprochen, meine Herren«, sagte sie. »Nachdem ich Ihre Ansichten gehört habe, bin ich der Meinung, daß wir dem Verteidigungsminister erlauben müssen, mit der Operation Ladendieb fortzufahren. Ich schlage daher vor, daß der Außenminister, der Verteidigungsminister, der Justizminister und ich einen Unterausschuß bilden, der von einem professionellen Team unterstützt wird, um die Pläne des Generalstabs zu prüfen. Die Angelegenheit ist streng vertraulich zu behandeln und wird daher nicht mehr erwähnt, bis der Plan dem gesamten Kabinett unterbreitet werden kann. Mit Ausnahme der Mitglieder des Unterausschusses werden alle Minister mit ihren normalen Pflichten fortfahren. Wir dürfen nicht vergessen, daß auch das Land regiert werden muß. Danke, meine Herren.« Die Premierministerin bat Charles und Simon, ihr in ihr Arbeitszimmer zu folgen.
Sobald die Tür geschlossen war, sagte sie zu Charles: »Bitte benachrichtigen Sie mich gleich, wenn Sie das Resultat der Abstimmung der Generalversammlung erfahren. Jetzt, da das Kabinett sich für eine militärische Initiative ausgesprochen hat, ist es besonders wichtig, daß Sie den Eindruck erwecken, auf eine diplomatische Lösung hinzuarbeiten.«
»Ja, Prime Minister « , sagte Charles ausdruckslos.
Mrs. Thatcher wandte sich an Simon. »Wann werde ich über den Plan der Stabschefs Genaueres erfahren können?«
»Wir beabsichtigen, die ganze Nacht daran zu arbeiten, das heißt, daß ich morgen um zehn Uhr den Plan in allen Einzelheiten vorlegen kann.«
»Aber nicht später, Simon«, sagte Mrs. Thatcher. »Unser nächstes Problem ist die für morgen vorgeschlagene außerordentliche Debatte. Zweifellos wird Andrew Fraser die Debatte nochmals verlangen, und der Speaker hat durchblicken lassen, daß er seinem Wunsch nachkommen wird. Wenn wir einen Aufschrei der Opposition und vermutlich auch unserer Seite vermeiden wollen, müssen wir auf jeden Fall ein Statement über unsere Politik abgeben. Ich habe mich daher entschlossen, den
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