Archer Jeffrey
geflüstert.
»Was machen Sie im Augenblick? Ich kann nicht glauben, daß Sie nur damit beschäftigt sind, in der Opposition zu sein?« sagte Ronnie, als man sich setzte.
»Nein, nicht wirklich. Man kann mich auch als einen der vier Millionen Arbeitslosen bezeichnen«, erwiderte Simon.
»Darüber eben möchte ich mit Ihnen sprechen«, sagte Ronnie, »aber zuerst möchte ich die Gemüsesuppe empfehlen und dann …«
»Das Beef vom Servierwagen«, unterbrach Simon.
»Sie erinnern sich noch?«
»Eine Empfehlung, mit der Sie immer recht hatten.« Ronnie lachte lauter als es im Ritz üblich ist, dann sagte er:
»Nachdem jetzt nicht mehr die gesamten Streitkräfte zu Ihrer Verfügung stehen und Botschafter Sie nicht mehr mit Exzellenz titulieren oder wie immer man heute sagt, wäre es da keine gute Idee, wenn Sie meinem Aufsichtsrat beitreten?«
»Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich aufzufordern, Ronnie, aber die Antwort lautet: nein.«
Der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen.
»Es würde ein Jahresgehalt von zwanzigtausend Pfund bedeuten.«
»Ich will nicht leugnen, daß wir das Geld brauchen könnten. Peter studiert in Oxford, und Michael ist finster entschlossen, Schauspieler zu werden. Ich frage mich, ob mein Bankkonto je in Ordnung kommen wird.«
»Warum treten Sie also nicht bei uns ein?«
»Weil ich mit Leib und Seele Politiker bin und mich nicht mehr auf kommerzielle Tätigkeiten einlassen möchte.«
»Könnte es Sie hindern, Premierminister zu werden?«
Simon zögerte, diese direkte Frage zu beantworten. Dann: »Ehrlich gesagt, ja. Meine Chancen sind nicht schlecht, und es wäre dumm von mir, jetzt etwas anderes anzufangen und damit meine Aussichten vielleicht zu verschlechtern.«
»Aber es weiß doch jeder, daß Sie, sobald Margaret Thatcher geht, der nächste Parteiführer sind. So einfach ist das.«
»Nein, Ronnie, leider ist es nicht so einfach.«
»Wer könnte Ihnen in die Quere kommen?«
»Zum Beispiel Charles Seymour.«
»Seymour? Er ist ein arroganter Laffe«, sagte Ronnie.
»Er hat viele Freunde in der Partei, und daß er dem Adel angehört, zählt bei vielen Tories immer noch.«
»Ja, da aber heute jeder Abgeordnete der Partei wählen kann, werden Sie Seymour schlagen.«
»Das wird sich zeigen«, sagte Simon, gelangweilt von einem Gespräch, das er in letzter Zeit schon mit so vielen Leuten geführt hatte. »Und was machen Sie jetzt?« fragte er, um das Thema zu wechseln.
»Ich arbeitete wie ein Kuli, um in etwa einem Jahr an die Börse gehen zu können. Deshalb wollte ich Sie im Aufsichtsrat haben.«
»Sie geben nie auf.«
»Nein, und ich hoffe, Sie haben Ihre einprozentige Beteiligung an der Gesellschaft nicht aufgegeben.«
»Elizabeth hat das Zertifikat irgendwo eingeschlossen.«
»Dann sollten Sie den Schlüssel suchen.«
»Warum?« fragte Simon.
»Weil Ihr ursprünglicher Anteil gegen hunderttausend Stammaktien eingetauscht werden wird, wenn ich zehn Millionen Aktien zu drei Pfund auf den Markt bringe.«
Simon war sprachlos.
»Warum sagen Sie nichts?« fragte Ronnie.
»Um ehrlich zu sein, ich habe die Existenz dieser einen Aktie vergessen«, stammelte Simon.
»Nun, ich kann mit Sicherheit behaupten«, sagte Ronnie, einen von Mrs. Thatchers Lieblingssätzen parodierend, »daß das keine schlechte Anlage war. Sie werden sie bestimmt nie bereuen.« Als die Budgetdebatte näherrückte, stellte Raymond fest, daß vierundzwanzig Stunden pro Tag zuwenig waren, sogar wenn man auf den Schlaf verzichtete. Er besprach die von ihm gewünschten Veränderungen mit den hohen Beamten des Finanzministeriums, aber es zeigte sich bald, daß er einige Abstriche machen mußte. Die Phrase, es gäbe immer ein nächstes Jahr, konnte er nicht mehr hören; seiner Meinung nach hatte er schon zu lange gewartet. Oft diskutierte er mit den Parteitheoretikern jene Versprechen des Manifests, denen man Priorität zuerkannte.
Im Lauf der Wochen wurden Kompromisse geschlossen und Einsparungen gemacht, aber es gelang Raymond, die ihm am wichtigsten scheinenden Veränderungen durchzudrücken. Am Freitag morgens übergaben ihm die Finanzexperten seine Rede; sie umfaßte hundertdreiundvierzig Seiten; die Verlesung würde etwa zweieinhalb Stunden dauern.
Am Dienstagmorgen, am Tag der Budgetdebatte, informierte er das Kabinett über seine Steuerreform; nach alter Tradition erfuhr das Kabinett alle Einzelheiten erst ein paar Stunden, bevor das Budget dem Unterhaus präsentiert wurde.
Der »Budgettag« im Unterhaus ist eine
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