Archer Jeffrey
Expansionsprogramm an. Unter dem Beifall verschiedener Sektionen des Unterhauses erklärte er die Einzelheiten seines Planes für jede Region.
Er schloß mit den Worten: »Als erster sozialistischer Finanzminister seit zehn Jahren beabsichtige ich nicht, die Reichen zu berauben, um ihr Geld unter den Armen zu verteilen, vielmehr sollen jene, die in einem gewissen Wohlstand leben, Steuern zahlen, um das Los der wirklich Bedürftigen zu erleichtern. Ich möchte den verehrten Abgeordneten auf den Oppositionsbänken mitteilen, daß dies erst ein Fünftel von dem ist, was ich im Laufe dieser Legislaturperiode erreichen möchte. Dann wird unser Land eine gerechtere Gesellschaft haben. Wir wollen eine Generation hervorbringen, in der der Klassenbegriff ebenso überholt ist wie der Schuldturm, in der Begabung, harte Arbeit und Ehrlichkeit an sich schon Belohnung sind; eine sozialistische Gesellschaft, um die wir von Ost und West gleichermaßen beneidet werden. Dieses Budget, Mr. Speaker, ist nur der Entwurf eines Architekten für diesen Traum. Ich hoffe, genügend Zeit zu haben, ihn zu verwirklichen.«
Als sich Raymond nach zwei Stunden und zwanzig Minuten setzte – die Dauer eines Weltklasse-Marathonlaufes – herrschte lauter Jubel.
Jetzt fiel der Oppositionsführerin die undankbare Aufgabe zu, sofort auf die Rede zu antworten. Mehr als auf ein, zwei Schwachstellen in der Philosophie des Finanzministers hinzuweisen, war unmöglich. Das Unterhaus hörte ihr auch kaum zu.
FÜNFTES BUCH 1989-1991 DIE PARTEIFÜHRER
32
Nachdem sich Raymond mit seinem ersten Budget so erfolgreich geschlagen hatte, veränderte die Oppositionsführerin ihr Schattenkabinett ebenso rasch wie diplomatisch. Der Finanzminister übernahm die Belange des Außenamtes, Simon die Innenpolitik und Charles hatte sich mit den von Raymond Gould angeschnittenen Problemen des Finanzhaushaltes auseinanderzusetzen.
Bald mußte Raymond feststellen, daß das Durchbringen neuer Gesetzesvorlagen viel schwieriger wurde, als Charles den Enthusiasmus seines neuen jungen Teams mit seiner eigenen großen Erfahrung in Wirtschaftsfragen ergänzte.
Obwohl die Dinge langsamer vorangingen als er gehofft hatte, war Raymond dennoch weiterhin erfolgreich. Seine Partei gewann die ersten Nachwahlen nach dem Tod von zwei Abgeordneten; das allein war schon bemerkenswert. Das Resultat löste neuerlich das Gerücht aus, Denis Thatcher dränge seine Frau zum Rücktritt.
Charles Seymour wußte: Ein solcher Schritt konnte so plötzlich kommen, daß niemand darauf vorbereitet war oder eine Vorstellung hatte, wie es weitergehen sollte. Er verwendete daher die nächsten Monate darauf, ein loyales Team um sich zu scharen, und als Mrs. Thatcher ihren Rücktritt bekanntgab, hatte er die Leute, die er brauchte.
Kaum hatte man die üblichen Phrasen über die sich zurückziehende Parteiführerin gesagt – die größte Premierministerin seit Winston Churchill –, als die Partei nach einem neuen Churchill Ausschau zu halten begann.
Wenige Stunden nach Mrs. Thatchers Rücktritt erhielten Charles Seymour und Simon Kerslake Anrufe und Nachrichten von ihren Anhängern und wurden von allen führenden politischen Kommentatoren kontaktiert. Charles organisierte seine Kampagne mit der gewohnten Gründlichkeit und befahl seinen Mitarbeitern, an jeden neuen Abgeordneten seit 1964 heranzutreten. Simon forderte Bill Travers auf, sein Mitarbeiterteam zu organisieren; Travers stand, wie jeder Farmer, früh am Morgen auf, um die Ernte einzubringen.
Sowohl Simon als auch Charles wurden binnen vierundzwanzig Stunden nominiert, und als bis zum Wochenende kein dritter Kandidat auftauchte, war die Presse von einem Zweikampf überzeugt.
Ein Korrespondent der Financial Times versuchte, mit allen 289 konservativen Abgeordneten zu sprechen. Er erreichte 228 und konnte seinen Lesern berichten, daß 101 für Simon Kerslake stimmen wollten, 98 für Charles Seymour und 29 keine Meinung äußerten. Der Artikel mit dem Titel »Knapper Vorsprung für Kerslake« wies darauf hin, daß man die zwei Männer, obwohl sie in der Öffentlichkeit sehr höflich zueinander waren, keineswegs als Freunde bezeichnen könne.
»Kerslake, der König« war die Schlagzeile in der Montagsausgabe der Sun, und der politische Kommentator prophezeite Simon einen Sieg von 116 zu 112 Stimmen. Auch Lord Mikardo, ein alter ehemaliger Labour-Abgeordneter, der über die letzten vierzehn Parteiführerkämpfe beider Parteien Buch geführt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher