Archer Jeffrey
Klauseln des kurzen Steuergesetzes besprach, die vom Finanzausschuß behandelt werden sollten. Charles beanstandete jeden Satz, ja jedes Komma, wenn er irgendwo eine Schwäche witterte, und machte Raymond und seinem Team das Leben sauer. Die Opposition genoß es. Simon sah, wie seine Stimmen davonschwammen und konnte nichts dagegen tun.
In der Nacht vor der Wahl war Pimkin der einzige Kandidat, der gut schlief. Am nächsten Morgen um neun fand im Ausschußsaal des Unterhauses die Abstimmung statt. Mit einer Ausnahme hatten um drei Uhr zehn alle Abgeordneten ihre Stimmen abgegeben. John Cope, der Chief Whip, bewachte die große schwarze Blechbüchse bis vier Uhr. Mrs. Thatcher zog es offenbar vor, neutral zu bleiben.
Um vier Uhr wurde die Wahlurne ins Büro des Fraktionschefs gebracht, und in fünfzehn Minuten waren die Stimmzettel zweimal gezählt. John Cope verließ das Büro, gefolgt von einem Rattenschwanz von Journalisten.
Etwa zweihundertachtzig der zweihundertneunundachtzig konservativen Parlamentsmitglieder hatten sich versammelt. Der Vorsitzende des 1922-Komitees, Sir Peter Hordern, begrüßte den Chief Whip und betrat mit ihm das kleine Podium. Der Vorsitzende entfaltete das Papier, das ihm gereicht worden war, schob die Brille hinauf und zögerte einen Moment, als er das Ergebnis las.
»Das Resultat der Abstimmung für die Wahl des Parteiführers lautet:
Charles Seymour 138
Simon Kerslake 135
Alec Pimkin 15.«
Auf ein paar erstaunte Ausrufe folgte längeres Gemurmel, bis
die Abgeordneten merkten, daß der Vorsitzende auf Ruhe wartete.
»Da es keinen eindeutigen Gewinner gibt«, fuhr Sir Peter fort, »findet nächsten Dienstag eine Stichwahl ohne Mr. Pimkin statt.«
Die Reporter umringten Pimkin, als er am Nachmittag das Parlament verließ, um zu erfahren, wen er seinen Anhängern bei der Stichwahl empfehlen werde. Pimkin, sichtlich jeden Augenblick genießend, erklärte großartig, daß er demnächst beide Kandidaten interviewen werde. Sofort wurde er von der Presse als »Königsmacher« bezeichnet, und die Telefone in seinem Büro und zu Hause liefen heiß. Was immer sie insgeheim dachten – Simon und Charles willigten jedenfalls ein, mit Pimkin zu sprechen, bevor er seinen Anhängern mitteilte, für wen er sich entschieden hatte.
Elizabeth saß allein an ihrem Schreibtisch und zwang sich, ihren Plan auszuführen. Sie sah das vergilbte Dossier an, das sie jahrelang nicht mehr geöffnet hatte, dann nahm sie einen Schluck Brandy. Ihre ganze Ausbildung und die Verpflichtung, den hippokratischen Eid einzuhalten, sprachen gegen das, was sie jetzt tun zu müssen glaubte. Während Simon schlief, war sie wach gelegen und hatte an die Folgen gedacht, dann hatte sie eine Entscheidung getroffen. Simons Karriere war das Wichtigste. Sie nahm den Hörer, wählte eine Nummer und wartete. Als sie die Stimme hörte, hätte sie fast den Hörer wieder hingelegt.
»730-9712. Hier Charles Seymour.«
»Hier Elizabeth Kerslake.« Sie versuchte selbstsicher zu klingen. Eine lange Pause entstand.
Nach einem weiteren Schluck Brandy fuhr sie fort: »Legen Sie nicht auf, Mr. Seymour, was ich zu sagen habe, wird Sie interessieren.«
Charles sprach immer noch nicht.
»Nachdem ich Sie jahrelang aus der Ferne beobachtete, bin ich überzeugt, daß Ihre Reaktion auf Carsons Anfrage im Unterhaus nicht spontan war.«
Charles räusperte sich und schwieg.
»Sollte diese Woche noch irgend etwas geschehen, das dazu beiträgt, daß mein Mann die Wahl verliert, werde ich nicht tatenlos zusehen.«
Immer noch keine Antwort.
»Vor mir liegt eine Mappe mit der Aufschrift ›Miss Amanda Wallace‹. Wenn Sie Wert darauf legen, daß der Inhalt streng vertraulich bleibt, rate ich Ihnen, keine weiteren Mätzchen zu versuchen. Die Mappe ist voller Namen, die jede Boulevardzeitung genüßlich ausschlachten würde, monatelang.«
Charles schwieg.
Elizabeths Selbstvertrauen stieg. »Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß ich nach einem solchen Vorgehen aus dem Ärzteregister gestrichen würde. Es wäre eine kleine Strafe, verglichen mit der Genugtuung, Sie so leiden zu sehen, wie mein Mann letzte Woche gelitten hat.« Sie machte eine kleine Pause. Dann: »Guten Tag, Mr. Seymour.«
Charles schwieg immer noch.
Elizabeth legte den Hörer auf und trank den Brandy aus. Wohl wissend, daß sie ihre Drohung nie wahrmachen würde, betete sie, Charles überzeugt zu haben.
Charles lud Pimkin zum Dinner zu White’s ein – wo Pimkin schon immer aufgenommen
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