Archer Jeffrey
einziger Versuch seit langer Zeit, so etwas wie Humor zu zeigen, und deshalb lachte auch kaum jemand. Während Carson zum zweitenmal aufstand, schob Simon Raymond eine Notiz zu, die dieser überflog.
»Hält der Finanzminister eine solche Person für geeignet, Premierminister oder auch nur Führer der Opposition zu sein?«
Die Abgeordneten flüsterten miteinander und versuchten festzustellen, gegen wen die Frage gerichtet war, während der Speaker unruhig wurde und diesen nicht ordnungsgemäßen Zusatzfragen ein Ende setzen wollte. Raymond begab sich wieder zum Rednerpult und sagte Carson, seine Anfrage sei keine Antwort wert. Damit hätte die Angelegenheit ein Ende gefunden, wäre nicht Charles aufgestanden.
»Mr. Speaker, weiß der Finanzminister, daß dieser persönliche Angriff meinem verehrten Freund, dem Abgeordneten von Pucklebridge, gilt und eine schändliche Verleumdung ist? Der verehrte Abgeordnete von Liverpool Dockside sollte seine Unterstellung sofort zurücknehmen.«
Die Konservativen belohnten die Großzügigkeit ihres Kollegen mit Beifall, während Simon schwieg. Er wußte, daß es Charles gelungen war, die Geschichte auf die erste Seite sämtlicher Zeitungen zu bringen.
Am Freitagmorgen beim Frühstück las Simon die Zeitungen und war nicht erstaunt über den von Charles’ scheinbar harmloser Zusatzfrage ausgelösten Bericht. Die Details seiner Transaktion mit Ronnie Nethercote waren genau festgehalten, und daß er von einem »Grundstückspekulanten« dreihunderttausend Pfund für eine Investition von einem Pfund erhalten hatte, klang nicht gut. Einige Zeitungen »fühlten sich verpflichtet zu fragen«, was sich Nethercote von dieser Transaktion erhoffe. Niemand schien zu wissen, daß Simon fünf Jahre lang Aufsichtsratsmitglied von dessen erster Firma gewesen war, sechzigtausend Pfund seines Privatvermögens investiert und erst kürzlich seine Kreditüberziehung zurückgezahlt hatte.
Simon gab vor der Presse ein Statement ab und erklärte den Sachverhalt genau. Sir Peter McKay, der Herausgeber des Sunday Express, aber schrieb in seiner vielgelesenen Spalte:
»Es liegt mir fern, auch nur anzudeuten, daß Simon Kerslake etwas Unehrenhaftes getan hat, aber da er jetzt im Scheinwerferlicht steht, bekommen manche Parlamentarier vielleicht das Gefühl, es wäre besser, bei den bevorstehenden Wahlen keinen Parteiführer zu wählen, dem etwas derartiges zustoßen könnte. Mr. Seymour hingegen machte seine Stellung eindeutig klar: Er kehrte, als seine Partei in die Opposition ging, nicht in die Bank seiner Familie zurück, da er immer noch auf ein öffentliches Amt hoffte.«
Am Montag korrigierten die Zeitungen ihre Prognosen und meinten, Seymour liege jetzt in Führung. Einige Journalisten gingen so weit zu behaupten, Alec Pimkin könne von dem Vorfall profitieren, weil die Abgeordneten vielleicht mit einer Stichwahl rechneten, bei der sie sich dann endgültig entscheiden würden.
Simon erhielt einige mitfühlende Briefe, darunter ein Schreiben von Raymond Gould. Er versicherte Simon, auf die Zusatzfrage von Carson nicht vorbereitet gewesen zu sein, und entschuldigte sich dafür, daß ihn seine erste Antwort möglicherweise in Verlegenheit gebracht hatte.
»Ich habe nie angenommen, daß er etwas mit der Sache zu tun haben könnte«, sagte Simon und gab Elizabeth Raymonds Brief.
»Die Times hat recht«, sagte sie, »er ist wirklich fair.«
Einen Augenblick später gab Simon seiner Frau einen zweiten Brief.
Seymour’s Bank 202 Cheapside London EC1
15. Mai 1989
Sehr geehrter Mr. Kerslake, Ich schreibe, um etwas richtigzustellen, worauf die Presse fortwährend Bezug nahm. Mr. Charles Seymour, ehemaliger Vorsitzender dieser Bank, wollte, als die Konservativen in Opposition gingen, in die Bank zurückkehren. Er hoffte, mit einem Gehalt von vierzigtausend Pfund im Jahr wieder den Vorsitz dieser Bank übernehmen zu können.
Der Vorstand von Seymour hat seinem Wunsch nicht stattgegeben.
Ihr ergebener Clive Reynolds
»Wirst du das verwenden?« fragte Elizabeth. »Nein, man würde nur noch mehr über die Angelegenheit reden.«
Elizabeth sah ihren Mann an, der weitere Briefe las, und dachte an ein Dossier über Amanda Wallace, das immer noch in ihrem Besitz war. Simon würde sie den Inhalt nie mitteilen; aber vielleicht war es an der Zeit, Charles Seymour ein bißchen schwitzen zu lassen.
Am Montag abend saß Simon in der vordersten Bankreihe und hörte dem Finanzminister zu, der jene
Weitere Kostenlose Bücher