Archer Jeffrey
worüber man abgestimmt hatte – obwohl er das nicht zugab.
Als sie eine Woche zu früh ins Krankenhaus kam, versicherte ihr Elizabeth Kerslake, sie brauche sich keine Sorgen zu machen; zwei Tage später brachte Louise ein hübsches Mädchen zur Welt.
Andrew hatte eine Sitzung über Wohnverhältnisse in den Lowlands, als die Oberschwester der Klinik anrief, um ihn zu beglückwünschen. Er ging zum Kühlschrank und holte den Champagner heraus, den sein Vater ihm geschickt hatte, als er ins Schottische Büro eingetreten war. Jeder seiner Mitarbeiter bekam einen Plastikbecher voll.
»Etwas besser, als aus der Flasche zu trinken«, sagte er und verabschiedete sich, um ins Krankenhaus zu fahren. Zu seiner Freude hatte Elizabeth Kerslake Dienst. Sie teilte ihm mit, daß seine Frau nach einem komplizierten Kaiserschnitt noch benommen sei. Aber sie führte ihn zu seiner Tochter, die zur Beobachtung in einem Inkubator lag.
»Kein Anlaß zur Sorge«, versicherte sie ihm. »Wir machen das immer nach einem Kaiserschnitt, weil wir ein paar Routinetests durchführen.«
Andrew starrte in die großen blauen Augen seiner Tochter. Er wußte, daß sich das noch ändern konnte, das weiche kurze Kopfhaar aber war jetzt schon dunkel.
Eine Stunde später, als das Baby eingeschlafen war, kehrte er ins Dover House zurück, wo im Büro des Staatssekretärs zum zweitenmal gefeiert wurde, diesmal wurde der Champagner jedoch in Kristallgläsern gereicht.
Als Andrew zu Bett ging, versank er dank des Champagners in tiefen Schlaf. Sein einziges Problem war, wie seine Tochter heißen sollte. Louise fand Lucy am hübschesten.
Das Telefon klingelte eine ganze Weile, bevor er antwortete. Sobald er den Hörer aufgelegt hatte, zog er sich an und fuhr ins Krankenhaus. Er parkte das Auto und lief zu dem jetzt schon vertrauten Pavillon. Elizabeth Kerslake erwartete ihn an der Tür. Sie sah müde und zerschlagen aus; trotz ihrer Erfahrung hatte sie Mühe, Andrew zu erklären, was geschehen war.
»Ihre Tochter ist vor vierzig Minuten gestorben. Das Herz hat ausgesetzt. Glauben Sie mir, wir haben alles versucht.«
Andrew sank auf eine Bank im Korridor und brachte minutenlang kein Wort hervor. »Wie geht es Louise?« fragte er schließlich.
»Sie weiß es noch nicht. Sie ist immer noch unter dem Einfluß der Narkose. Gott sei Dank hat sie das Baby nicht gesehen.«
Andrew schlug auf sein Bein ein, bis es gefühllos war. Plötzlich hörte er auf. »Ich werde es ihr sagen«, flüsterte er und blieb sitzen, während ihm Tränen über die Wangen liefen. Wortlos setzte sich Elizabeth neben ihn. Sie verließ ihn erst, als sie nachsehen ging, ob Mrs. Fraser soweit war, ihren Mann zu empfangen.
Louise wußte es, sobald Andrew das Zimmer betrat. Es dauerte eine Stunde, bis es ihr gelang zu lächeln.
»Ich bin sicher, Alison McKenzie hätte dir ein Dutzend Söhne geschenkt«, sagte sie in dem Versuch, ihm ein Lächeln zu entlocken.
»Bestimmt«, erwiderte Andrew, »aber sie wären alle dumm und häßlich gewesen.«
»Du hast recht«, sagte Louise, »aber das wäre nicht ihre Schuld gewesen.«
Beide versuchten zu lachen.
Kurz nach vier kehrte Andrew nach Hause zurück. Aber es dauerte Stunden, bis er einschlief.
Der große Redner Jain Macleod sagte einmal, es seien die ersten zwei Minuten einer Rede, die über den Erfolg entscheiden. Entweder bekommt man die Zuhörer in den Griff, oder man verliert sie. Und wenn man die Aufmerksamkeit des Unterhauses einmal verloren hat, kann man es kaum wieder fesseln. Als man Charles Seymour nach der Wirschaftsdebatte einlud, die Schlußworte für die Opposition zu sprechen, fühlte er sich gut vorbereitet. Er machte sich keine Illusionen, daß er die Hinterbänkler der Regierung umstimmen könne, hoffte jedoch, die Presse würde am nächsten Tag berichten, er habe die Debatte beherrscht und die Regierung in Verlegenheit gebracht. Die Administration war von den täglichen Gerüchten über die Abwertung sowie von finanziellen Nöten zermürbt, und Charles war zuversichtlich, daß dies die Gelegenheit sei, sich einen Namen zu machen.
Große Debatten im britischen Parlament beginnen üblicherweise nach der Fragestunde um halb vier, können aber verschoben werden, wenn Minister Erklärungen abgeben. Der Minister des betroffenen Ressorts hält eine etwa dreißig Minuten lange Eröffnungsrede, dann spricht der Redner der Opposition ungefähr ebenso lang. Reden von Hinterbänklern, die länger als fünfzehn Minuten dauern,
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