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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rivalen
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erklommen. Er lächelte, denn noch vor sechs Wochen hatte er gefürchtet, es werde Jahre dauern, bis er auf
einen Sitz im Unterhaus hoffen konnte.
Bei den Wahlen vor zwei Monaten hatte Charles in einem
Bergwerksdistrikt in Südwales mit einer unerschütterlichen
Labour-Mehrheit kandidiert. »Das ist eine Erfahrung, und auch
für die Seele gut«, hatte der Vizevorsitzende der konservativen
Parteizentrale gemeint. Mit beidem hatte er recht gehabt, denn
Charles genoß den Kampf und verminderte die Labourmehrheit
von 22.300 auf 20.100. Seine Frau hatte das Resultat ganz
richtig als »kleinen Tropfen« bezeichnet, aber es zeigte sich, daß
dieser Tropfen genügte, um Charles für den Sussex-Down-Sitz
zu nominieren. Sechs Wochen später saß Charles Seymour mit
einer Mehrheit von 20.000 im Unterhaus.
Er verließ den Sitzungssaal und stand, unsicher, wo er
beginnen sollte, allein in der Members’ Lobby. Ein anderes
junges Mitglied kam zielstrebig auf ihn zu. »Erlauben Sie, daß
ich mich vorstelle«, sagte der Fremde. »Mein Name ist Andrew
Fraser. Ich bin das Labour-Mitglied für Edinburgh Carlton und
hoffe, daß Sie noch keinen Partner gefunden haben.« Charles
mußte zugeben, daß er bis jetzt nur den Sitzungssaal gefunden
hatte. Der Fraktionschef hatte ihm schon erklärt, daß die meisten
Mitglieder sich wegen der Abstimmungen mit jemandem von
der anderen Partei zuammentaten, und daß es gut für ihn wäre,
einen jungen Mann gleichen Alters zu finden. Wenn eine
Abstimmung über weniger wichtige Fragen stattfand, herrschte
»dringende Anwesenheitspflicht«, das heißt, wenn Mitglieder
ein Paar bildeten, durften sie der Abstimmung fernbleiben und
vor Mitternacht nach Hause zu ihren Familien zurückkehren. Bei unbedingter Anwesenheitspflicht jedoch durfte kein
Mitglied die Abstimmung versäumen.
»Mit größtem Vergnügen werde ich Ihr Partner sein. Muß ich
irgend etwas Offizielles tun?« fragte Charles.
»Nein«, antwortete Andrew, zu ihm aufschauend. »Ich
schreibe Ihnen ein paar Zeilen, um die Vereinbarung zu
bestätigen. Bitte seien Sie so freundlich, mir in Ihrer Antwort
alle Telefonnummern bekanntzugeben, wo ich Sie kontaktieren
kann. Sagen Sie mir Bescheid, wann immer Sie einer
Abstimmung fernbleiben wollen.«
»Das scheint mir ein vernünftiges Arrangement«, sagte
Charles, als eine rundliche Gestalt in einem hellgrauen
dreiteiligen Anzug mit blauem Hemd und rosa gemusterter
Fliege auf ihn zusteuerte.
»Willkommen im Klub, Charles«, sagte Alec Pimkin. »Willst
du im Stranger mit mir einen Drink nehmen, während ich dir
erkläre, wie es hier zugeht?«
»Danke«, sagte Charles erleichtert, jemanden zu sehen, den er
kannte. Andrew lächelte, als er Pimkin hinzufügen hörte: »Es ist
genauso, als wäre man wieder in der Schule, alter Freund.« Die
zwei Torys schlenderten zur Strangers’ Bar. Nach Andrews
Ansicht würde es nicht lang dauern, bevor Charles seinem alten
Freund zeigte, wie es hier tatsächlich zuging. Auch Andrew
verließ die Members’ Lobby, aber nicht auf der Suche nach
einem Drink. Er mußte zu einer Sitzung der Parlamentsfraktion
der Labour Party, bei der die Agenden der folgenden Woche
besprochen werden sollten.
Andrew war zum Labour-Kandidaten für Edinburgh Carlton
gewählt worden; er hatte den Konservativen den Sitz mit einer
Mehrheit von 3.419 Stimmen weggeschnappt. Sir Fergus
behielt, nachdem seine Zeit als Oberbürgermeister vorüber war,
seinen Sitz im Stadtrat. Andrew – das Baby des Unterhauses –
hatte sich in den sechs Wochen bereits einen Namen gemacht, und viele der älteren Mitglieder konnten kaum glauben, daß dies
sein erstes Jahr im Parlament war.
Bei der Parteibesprechung im ersten Stock setzte sich Andrew
auf einen der hinteren Plätze und hörte dem Chief Whip zu, der
das Programm für die nächste Woche erläuterte; wieder einmal
schien es fast nur aus Sitzungen mit unbedingter
Anwesenheitspflicht zu bestehen. Er warf einen Blick auf den
vor ihm liegenden Block. Die für Dienstag, Mittwoch und
Donnerstag vorgesehenen Debatten waren alle dreifach
unterstrichen; nur Mittwoch und Freitag gab es eine, die er nach
einer Absprache mit Charles Seymour versäumen konnte. Zwar
war die Labour Party nach dreizehn Jahren wieder an die Macht
gelangt, aber mit einer Mehrheit von nur vier Sitzen, und bei
einem ambitionierten Programm bestand für die Abgeordneten
während der Woche kaum eine Chance, vor Mitternacht nach
Hause zu gehen.
Als sich der Fraktionsvorsitzende gesetzt hatte,

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