Archer Jeffrey
würden, und sie hielten auch Wort, obwohl diesbezüglich anzumerken ist, daß Großmutter Kane in einem Auto zu ihrem Begräbnis gefahren wurde, worüber sie allerdings nicht informiert worden war.
Während der folgenden zwei Jahre wurden sowohl die Bank als auch William immer größer und kräftiger. Die Amerikaner investierten wieder, und große Geldsummen fanden ihren Weg zu Kane and Cabot, um in Projekten wie der Lederfabrik in Lowell, Massachusetts, investiert zu werden. Richard nahm das Wachstum seiner Bank und das Wachstum seines Sohnes ohne Verwunderung, aber mit Befriedigung zur Kenntnis. An Williams fünftem Geburtstag entfernte er das Kind aus der Obhut der Frauen und engagierte um vierhundertfünfzig Dollar pro Jahr einen Hauslehrer namens Mr. Munro, den er persönlich aus einer Liste von acht Bewerbern aussuchte, die von seinem Privatsekretär zusammengestellt worden war. Mr. Munro sollte dafür sorgen, daß William mit zwölf Jahren für den Eintritt in St. Paul’s bereit sein würde. Der neue Hauslehrer gefiel William; er fand ihn sehr alt und sehr gescheit. Tatsächlich war er dreiundzwanzig und im Besitz eines Diploms (mit Auszeichnung in Englisch) von der Universität Edinburgh.
Schreiben und Lesen erlernte William ohne Schwierigkeiten, aber seine Liebe gehörte den Zahlen. Er beklagte sich, daß es unter den täglichen acht Unterrichtsstunden nur eine einzige Arithmetikstunde gab. Sehr bald erklärte William seinem Vater, daß ein Achtel des Arbeitstages für das Rechnen ein geringer Zeitaufwand für jemand sei, der einmal Bankpräsident werden wollte.
Um die mangelnde Voraussicht seines Lehrers auszugleichen, quälte William alle Verwandten in Reichweite, ihm Rechenaufgaben zu stellen, die er im Kopf lösen konnte. Großmutter Cabot, die man nie davon überzeugen konnte, daß eine Zahl dividiert durch vier dasselbe Resultat ergibt wie eine Zahl mal ein Viertel - und tatsächlich ergaben diese beiden Rechenoperationen bei ihr oft verschiedene Resultate -, wurde binnen kurzem von ihrem Enkel überflügelt; doch Großmutter Kane, die intellektuelle Ansprüche stellte, plagte sich heroisch mit vulgären Bruchzahlen, Zinseszinsen und der Verteilung von acht Kuchen an neun Kinder.
»Großmutter«, sagte William freundlich, aber bestimmt, als sie wieder einmal nicht imstande war, eine Aufgabe zu lösen, »kauf mir einen Rechenschieber; dann muß ich dich nicht mehr belästigen.«
Sie war zwar verblüfft über die Frühreife ihres Enkels, aber sie kaufte ihm das Gewünschte und fragte sich, ob er den Rechenschieber wohl benutzen konnte. Es war dies das erste Mal, daß Großmutter Kane den bequemsten Ausweg aus einer Situation wählte.
Richards Probleme verlagerten sich ostwärts. Der Präsident seiner Londoner Filiale starb an seinem Schreibtisch, und Richard hatte das Gefühl, daß seine Anwesenheit in der Lombard Street vonnöten sei. Er schlug Anne vor, ihn gemeinsam mit William zu begleiten; eine Reise nach Europa sei bestimmt erzieherisch wertvoll, und William könnte alle Orte besuchen, von denen ihm Mr. Munro so oft erzählt hatte. Anne, die noch nie in Europa gewesen war, gefiel der Vorschlag, und sie füllte drei Schrankkoffer mit eleganten neuen Kleidern, um sich der Alten Welt standesgemäß zu präsentieren. William fand es unfair von seiner Mutter, daß sie ihm nicht erlauben wollte, etwas ebenso Wichtiges auf die Reise mitzunehmen, nämlich sein Fahrrad.
Die Kanes fuhren per Zug nach New York, um sich dort auf der Aquitania einzuschiffen und nach Southampton zu reisen. Der Anblick der vielen Einwanderer, die auf der Straße ihre Waren feilboten, schockierte Anne, und sie war froh, als sie an Bord und in der Sicherheit ihrer Kabine war. William hingegen war tief beeindruckt von der Größe New Yorks; bisher war er der Meinung gewesen, die Bank seines Vaters sei das größte Gebäude Amerikas, wenn nicht der Welt. Von einem weißgekleideten Mann mit Strohhut wollte er unbedingt rosa und gelbe Eiscreme kaufen, doch sein Vater erlaubte es nicht; außerdem hatte Richard niemals Kleingeld bei sich.
Das große Schiff gefiel William sofort, und er befreundete sich rasch mit dem Kapitän, der ihm alle Geheimnisse des Stolzes der Cunard Linie zeigte. Richard und Anne, die natürlich am Kapitänstisch saßen, hielten es bald nach der Abreise für angebracht, sich zu entschuldigen, daß ihr Sohn die Mannschaft so oft belästigte.
»Macht gar nichts, macht nichts«, sagte der weißbärtige
Weitere Kostenlose Bücher