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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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ist er bestimmt wieder in Ordnung«, erklärte Richard, und es klang beinahe wie ein Befehl; doch als Anne am nächsten Morgen ihren Sohn weckte, war er von kleinen roten Flecken übersät und hatte hohes Fieber. Der Hotelarzt stellte Masern fest und erklärte höflich, aber bestimmt, daß William nicht nur seinetwegen, sondern auch im Interesse der anderen Passagiere nicht reisen dürfte. Es blieb nichts anderes übrig, als William mit einer Wärmeflasche im Bett zu lassen und auf die Abfahrt des nächsten Schiffes zu warten. Eine dreiwöchige Verzögerung seiner Rückkehr konnte Richard sich jedoch nicht leisten. Er beschloß, die Reise wie geplant anzutreten. Widerwillig stimmte Anne den veränderten Reiseplänen zu. William bettelte, mit seinem Vater reisen zu dürfen; die einundzwanzig Tage bis zur Rückkehr der Aquitania nach Southampton schienen dem Kind wie eine Ewigkeit. Richard blieb hart und ließ eine Krankenpflegerin kommen, um seinen Sohn zu betreuen.
Anne fuhr mit Richard im neuen Rolls-Royce nach Southampton.
»Ohne dich werde ich in London sehr einsam sein, Richard«, sagte sie schüchtern beim Abschied, obwohl Richard gefühlvolle Frauen nicht schätzte.
»Nun, meine Liebe, auch ich werde in Boston ohne dich etwas allein sein«, erwiderte er, und seine Gedanken waren bereits bei den streikenden Baumwollarbeitern.
Anne fuhr mit dem Zug nach London zurück und fragte sich, womit sie sich während der nächsten drei Wochen beschäftigen sollte. William verbrachte eine ruhigere Nacht, und am Morgen sahen seine Flecken weit weniger gefährlich aus. Der Arzt und die Krankenpflegerin bestanden jedoch auf Bettruhe. Anne schrieb lange Briefe an die Familie, während William protestierend im Bett lag, aber Donnerstag morgens stand er zeitig auf und erschien, weitgehend sein altes Selbst, im Schlafzimmer der Mutter. Er kroch zu ihr ins Bett, und seine kalten Hände weckten sie sofort. Anne war froh, ihn wiederhergestellt zu sehen, und bestellte für ihn und für sich ein Frühstück im Bett - ein Luxus, den Williams Vater nicht gebilligt hätte.
Ein leises Klopfen an der Tür, und ein Mann in roter Livree mit goldenen Tressen brachte ein großes silbernes Frühstückstablett. Eier, Speck, Tomaten, Toast, Jam - ein richtiges Fest. William schaute gierig auf die Speisen, als könne er sich nicht mehr erinnern, wann er zum letzten Mal ordentlich gegessen hatte. Anne warf einen flüchtigen Blick auf die Morgenzeitung. Richard pflegte in London immer die Times zu lesen, daher nahm die Hoteldirektion an, daß auch sie eine Zeitung haben wolle.
»Schau«, sagte William und zeigte auf ein Bild in der Zeitung, »ein Foto von Vatis Schiff. Was ist eine Katastrophe, Mami?«
Das Bild der Titanic nahm beinahe die ganze Seite ein.
Anne vergaß, wie eine Lowell oder eine Cabot sich zu benehmen hat, brach in Tränen aus und preßte ihren Sohn an sich. Eng umschlungen saßen sie eine Weile im Bett; William verstand nicht ganz genau, warum. Anne wußte, daß sie beide den Menschen verloren hatten, den sie auf der Welt am meisten liebten.
Kurz darauf kam Sir Piers Campbell, der Vater des kleinen Stuart, ins Ritz. Er wartete in der Halle, während die Witwe ein Kostüm anzog, das einzige dunkle Kleidungsstück, das sie besaß. Auch William zog sich an und wußte immer noch nicht recht, was eine Katastrophe bedeutete. Anne bat Sir Piers, William die Bedeutung der Nachricht zu erklären. William erwiderte nur: »Ich wollte mit meinem Vater auf dem Schiff sein, aber man ließ es nicht zu.«
Er weinte nicht, weil er nicht glauben wollte, daß seinem Vater etwas zustoßen konnte. Bestimmt würde er unter den Überlebenden sein.
In seiner ganzen Karriere als Politiker, Diplomat und jetzt als Präsident von Kane and Cabot hatte Sir Piers niemals bei jemand so jungem eine solche Selbstbeherrschung gesehen. Beherrschung ist nur wenigen gegeben, hörte man ihn später sagen. Richard Kane hatte sie besessen und an seinen Sohn weitergegeben.
Wieder und wieder las Anne die Listen der Überlebenden, die aus den Vereinigten Staaten eintrafen. Jede von ihnen bestätigte, daß Richard Lowell Kane vermißt, vermutlich ertrunken war. Nach einer weiteren Woche gab sogar William beinahe alle Hoffnung auf.
Anne fiel es schwer, an Bord der Aquitania zu gehen, aber William war seltsam ungeduldig, in See zu stechen. Er saß stundenlang auf dem Sonnendeck und starrte auf die eintönige See.
»Morgen werde ich ihn finden«, versprach er seiner Mutter,

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