Archer Jeffrey
waren wesentlich anders als die Abende im Dorchester, wo er Berichte geschrieben hatte.
Drei Monate später sprangen sie mit dem Fallschirm über Nordfrankreich ab. Sie sollten zu Omar N. Bradleys Armee stoßen, die durch Europa marschierte. Ein Hauch von Sieg lag in der Luft, und William wollte der erste Soldat in Berlin sein.
Die 1. Armee rückte gegen den Rhein vor, fest entschlossen, jede Brücke zu überschreiten, die sie finden konnte. An diesem Morgen erhielt Hauptmann Kane den Befehl, mit seiner Kompanie über die Ludendorff-Brücke vorzurücken und auf dem anderen Flußufer eineinhalb Kilometer nordöstlich von Remagen in einem Wald den Feind zu erwarten. William stand auf einem Hügel und sah zu, wie die 9. Division über die Brücke zog, die jeden Augenblick in die Luft fliegen konnte.
Dahinter kam sein Oberst mit seinem eigenen Regiment. William folgte mit den hundertzwanzig Mann, die er befehligte; die meisten hatten wie er noch keinen Kampf erlebt. Das war kein Scheingefecht mit schlauen Schotten, mit Platzpatronen und einem nachfolgenden gemeinsamen Mahl. Das waren Deutsche mit echten Kugeln und Tod, und vielleicht gab es kein Nachher.
Als William und seine Leute den Waldrand erreichten, trafen sie auf keinerlei Widerstand und beschlossen, weiterzumarschieren. Sie kamen zwar nur langsam vorwärts, aber alles war ruhig, und William überlegte, ob die 9. Division so gründliche Arbeit geleistet hatte, daß sie ihr nur mehr zu folgen brauchten, als plötzlich von nirgendwo ein Kugelregen auf sie niederprasselte. William und seine Männer versuchten, zwischen den Bäumen Deckung zu suchen, aber in ein paar Sekunden hatte er mehr als die Hälfte seiner Kompanie verloren. Die Schlacht - wenn man es so nennen konnte - war in weniger als einer Minute vorüber, und er hatte einen Deutschen nicht einmal zu Gesicht bekommen. William kauerte im nassen Unterholz, als er zu seinem Entsetzen die nächste Kompanie durch den Wald kommen sah. Er rannte aus seinem Versteck hinter einem Baum, um sie vor dem Hinterhalt zu warnen. Die erste Kugel traf ihn am Kopf, und als er in die Knie ging und seinen vorrückenden Kameraden weiter verzweifelt zuwinkte, traf ihn eine zweite in den Hals und eine dritte in die Brust. Ganz still blieb er im Schlamm liegen und wartete auf den Tod. Er hatte den Feind nicht einmal gesehen - ein schmutziger, unheroischer Tod.
Das nächste, was William wußte, war, daß er auf einer Bahre getragen wurde, aber er konnte weder etwas hören noch etwas sehen, er wußte nicht, ob es Nacht war oder ob er das Augenlicht verloren hatte.
Der Marsch schien ihm sehr lang. Als er sein Auge öffnete, sah er einen kleinen fetten Oberst aus einem Zelt hinken. Irgend etwa an dem Mann war ihm bekannt, aber er wußte nicht, was. Die Sanitäter trugen William in das Operationszelt und legten ihn auf den Tisch. Er versuchte den Schlaf abzuwehren, aus Angst, es könnte der Tod sein. Er schlief. William erwachte. Er spürte, daß zwei Leute ihn bewegen wollten. Sie drehten ihn so sanft wie möglich um und stachen ihn mit einer Nadel. William träumte zuerst von Kate und dann von seiner Mutter. Dann spielte Matthew mit seinem Sohn Richard. William schlief.
Er erwachte. Er wußte, daß man ihn in ein anderes Bett gelegt hatte; der Gedanke an den unabwendbaren Tod wurde von einer schwachen Hoffnung abgelöst. William lag bewegungslos, das eine Auge auf das Segeltuchdach des Zeltes geheftet, unfähig, den Kopf zu bewegen. Eine Krankenschwester kam herein, schaute zuerst seinen Krankenbericht und dann ihn an. Er schlief.
Er erwachte. Wieviel Zeit war vergangen? Eine andere Krankenschwester. Diesmal konnte er etwas mehr sehen, und - was für ein Glück - er konnte, wenn auch unter Schmerzen, den Kopf bewegen. Er hielt sich wach, solange er konnte; er wollte leben. Er schlief.
Er erwachte. Vier Ärzte standen um ihn herum, und beschlossen was? Er konnte sie nicht hören, daher erfuhr er nichts.
Wieder trug man ihn fort. Diesmal sah er, daß man ihn in ein Sanitätsauto der Armee brachte. Hinter ihm wurde die Tür geschlossen, der Motor angelassen, und der Krankenwagen fuhr über holpriges Gelände; eine Krankenschwester hielt William fest. Seinem Gefühl nach dauerte die Fahrt eine Stunde, aber er war sich seiner Gefühle nicht mehr sicher. Der Wagen blieb auf ebenem Boden stehen. William wurde herausgehoben. Diesmal trug man ihn über glatten Boden und dann ein paar Treppen hinauf in ein dunkles Zimmer. Wieder wurde
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