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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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Loch gruben, erfroren.
Nach einem Marsch über eintausendfünfhundert Kilometer trafen die Überlebenden auf die Ostjaken, Nomaden der russischen Steppe mit Rentierschlitten. Die Fahrzeuge luden ihre Fracht ab und kehrten um. Die Gefangenen wurden an die Schlitten gekettet und zogen weiter. Zwei Tage zwang sie ein Schneesturm, haltzumachen, und Wladek nutzte die Gelegenheit, sich mit dem jungen Ostjaken zu unterhalten, an dessen Schlitten er gekettet war. Sein klassisches Russisch mit dem polnischen Akzent wurde nur mühsam verstanden, aber er erfuhr, daß die Ostjaken die Russen aus dem Süden haßten und von ihnen beinahe so schlecht behandelt wurden wie die Gefangenen. Die Ostjaken bemitleideten die armseligen Gefangenen - die »Unglückseligen«, wie sie sie nannten.
    Nach neun Tagen erreichten sie im fahlen Licht einer arktischen Winternacht das Lager 201. Niemals hätte Wladek geglaubt, daß er froh sein würde, einen solchen Ort zu sehen: Reihen um Reihen von Holzhütten im Niemandsland. Die Hütten hatten ebenso wie die Gefangenen Nummern. Wladeks Hütte war Nummer 33. In der Mitte des Raumes gab es einen kleinen schwarzen Ofen, und an den Wänden standen hölzerne Stockbetten mit Strohsäcken und je einer dünnen Decke. In der ersten Nacht gelang es kaum einem Gefangenen zu schlafen, und das Stöhnen und Schreien, das aus Hütte 33 drang, übertönte oft das Heulen der Wölfe. Am nächsten Morgen wurden sie vor Sonnenaufgang von den Schlägen eines Hammers auf ein Eisendreieck geweckt. Die Außen- wie die Innenseite des Fensters war dick mit Eis bedeckt, und Wladek vermeinte vor Kälte zu sterben. Das Frühstück in dem eisigen Gemeinschaftsraum dauerte kaum zehn Minuten und bestand aus einem Napf mit lauwarmem Brei, in dem stinkende Fischstücke und Kohlblätter schwammen. Die Neuankömmlinge spuckten die Gräten auf den Tisch, während die erfahrenen Gefangenen sowohl Gräten wie Fischaugen aßen.
    Nach dem Frühstück wurde ihnen die Arbeit zugewiesen. Wladek wurde Holzfäller. Man schickte ihn zehn Kilometer weit über die kahle Steppe in einen Wald und befahl ihm, täglich eine bestimmte Anzahl von Bäumen zu fällen. Die Wache ließ ihn mit seiner Gruppe von sechs Leuten und einer Essensration, bestehend aus gelblichem Brei und Brot, allein. Ein Fluchtversuch war ausgeschlossen, denn abgesehen davon, daß niemand wußte, in welcher Richtung die nächste Stadt lag, war sie über fünfzehnhundert Kilometer weit entfernt.
    Am Ende jeden Tages kam die Wache zurück und zählte die gefällten Baumstämme. Man hatte der Gruppe mitgeteilt, daß das Essen für den folgenden Tag gestrichen würde, falls die geforderte Anzahl nicht erreicht war. Doch wenn die Wache gegen sieben Uhr kam, um die Holzfäller abzuholen, war es bereits dunkel, und man konnte nicht genau sehen, wieviele Stämme untertags gefällt worden waren. Wladek befahl seiner Gruppe, den letzten Teil des Nachmittags darauf zu verwenden, den Schnee von dem am vorhergehenden Tag gefällten Holz zu fegen und es zu den frisch geschlagenen Bäumen zu legen. Dieser Plan gelang immer, und Wladeks Leute verloren nie ihre Essensration. Manchmal glückte es ihnen, mit einem kleinen Holzstück, das sie an der Innenseite des Beines befestigten, in das Lager zurückzukehren und es in der Nacht in den Kohleofen zu stecken. Doch da hieß es vorsichtig sein, denn wann immer sie aus dem Wald kamen, wurde mindestens einer von ihnen durchsucht, und oft mußten sie einen oder beide Stiefel ausziehen und barfuß im Schnee stehen. Wurde einer erwischt, bedeutete das drei Tage ohne Nahrung.
    Im Laufe der Wochen wurde Wladeks Bein steif und schmerzte noch mehr. Er sehnte sich nach den besonders kalten Tagen, an denen die Temperatur unter vierzig Grad fiel und die Arbeit im Freien ausgesetzt wurde, obwohl der verlorene Tag an dem sonst freien Sonntag eingebracht werden mußte.
    Eines Abends - Wladek hatte viele Baumstämme über die Steppe geschleppt - verspürte er ein unbarmherziges Pochen im Bein. Die Narbe war angeschwollen und glänzte. Er zeigte sie der Wache, und man befahl ihm, sich am nächsten Morgen vor Tagesanbruch beim Lagerarzt zu melden. Wladek verbrachte die ganze Nacht, von nassen Stiefeln umgeben, vor dem Ofen sitzend, doch die Wärme war so schwach, daß sie die Schmerzen nicht linderte.
    Am nächsten Morgen stand Wladek eine Stunde früher auf als gewöhnlich. Ging man nicht vor Arbeitsbeginn zum Arzt, mußte man bis zum nächsten Morgen warten.

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