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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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Soldat, so gab es keine
Rettung. Nicht einmal ein Zwerg hätte sich durch das kleine Fenster
zwängen können. War es kein Soldat, so würde er durch ein weiteres
Verbleiben nur die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Rasch zog er die
Gefängniskleidung aus, faltete sie zu einem möglichst kleinen Bündel
und warf sie aus dem Fenster. Dann zog er aus der Anzugtasche eine
weiche Kappe, bedeckte den kahlgeschorenen Schädel und öffnete die
Tür. Ein aufgeregter Mann stürzte herein und hatte die Hose schon
heruntergezogen, bevor Wladek gegangen war.
Im Gang fühlte sich Wladek isoliert und schrecklich auffallend in
seinem altmodischen Anzug - ein Apfel auf einem Haufen Apfelsinen.
Sofort macht er sich auf die Suche nach einer anderen Toilette. Als er
eine gefunden hatte, schloß er sich wieder ein, öffnete die Stiche in
seinem Anzug und nahm einen der vier Fünfzig-Rubel-Scheine heraus. Die andern steckte er zurück und ging wieder auf den Gang. In der Mitte des Wagens spielten ein paar Leute, um sich die Zeit zu vertreiben, ein Würfelspiel. Wladek hatte Leon dabei immer geschlagen, wenn sie im Schloß gespielt hatten, und er hätte sich gern beteiligt, aber er hatte Angst zu gewinnen und die Mitfahrenden auf sich aufmerksam zu machen. Das Spiel ging weiter, und Wladek begann sich an verschiedene Tricks zu erinnern. Die Versuchung,
seine zweihundert Rubel zu riskieren, war fast unwiderstehlich. Einer der Spieler, der eine erkleckliche Menge Geld verloren hatte,
zog sich verärgert zurück und setzte sich fluchend zu Wladek. »Sie haben kein Glück gehabt«, sagte Wladek, weil er den Ton der
eigenen Stimme hören wollte.
»Ach, es geht nicht um Glück«, erwiderte der Spieler, »meistens
gelingt es mir, diese Bauern zu schlagen, aber ich habe keine Rubel
mehr.«
»Wollen Sie Ihren Mantel verkaufen?« fragte Wladek.
Der Spieler war einer der wenigen Fahrgäste, die einen ordentlichen
schweren Bärenfellmantel trugen. Er schaute den Jungen an. »Wenn ich mir deinen Anzug anschaue, würde ich meinen, du
kannst ihn dir nicht leisten, Junge.«
An dem Tonfall des Mannes erriet Wladek, daß dieser bereit war, zu
verkaufen. »Ich verlange fünfundsiebzig Rubel.«
»Ich biete vierzig«, sagte Wladek.
»Sechzig«, sagte der Spieler.
»Fünfzig«, sagte Wladek.
»Nein. Sechzig ist mein letztes Angebot; der Mantel hat mich über
hundert Rubel gekostet.«
»Das ist aber schon lange her«, sagte Wladek, während er überlegte,
ob er eine weitere Note aus dem Anzugfutter holen sollte. Er entschied
sich dagegen, um niemanden auf sich aufmerksam zu machen. Er
würde eine andere Gelegenheit abwarten. Da er jedoch nicht zugeben
wollte, daß er sich den Mantel nicht leisten konnte, griff er verächtlich
nach dem Kragen. »Sie haben zuviel gezahlt, mein Freund. Fünfzig
Rubel und keine Kopeke mehr.«
Wladek stand auf, als wollte er gehen.
»Warte«, sagte der Spieler, »du kannst ihn um fünfzig haben.« Wladek zog fünfzig Rubel aus der Tasche, der Spieler zog den Mantel aus und tauschte ihn gegen die schmutzige Geldnote. Der Mantel war Wladek viel zu groß und berührte beinahe den Boden, aber er war genau das, was er brauchte, um seinen auffallenden Anzug zu verbergen. Einen Augenblick schaute er dem Mann zu, der sich wieder am Spiel beteiligte und wieder verlor. Von diesem seinem neuen Lehrer hatte er zwei Dinge gelernt: nur dann zu spielen, wenn überlegenes Wissen oder größere Geschicklichkeit einen Gewinn wahrscheinlich machen, und immer bereit sein aufzuhören, wenn man
seine Grenze erreicht hat.
Wladek, der sich unter seinem alten Mantel etwas sicherer fühlte,
verließ den Waggon und begann mit neugewonnenem Selbstvertrauen
den Zug zu inspizieren. Die Waggons waren sichtlich in zwei Klassen
eingeteilt; in eine allgemeine Klasse, wo die Fahrgäste herumstanden
oder auf Holzbänken saßen, und in eine besondere, wo man auf
gepolsterten Bänken sitzen konnte. Wladek stellte fest, daß alle
Abteile bis auf eines voll waren. In diesem Abteil saß ganz allein eine
Frau mittleren Alters; sie war ein wenig besser gekleidet und hatte
etwas mehr Fleisch an den Knochen als die übrigen Menschen. Sie
trug ein dunkelblaues Kleid, und auf dem Kopf einen Schal. Wladek
starrte sie an, und sie lächelte ihm zu. Das gab ihm den Mut, in ihr
Abteil einzutreten.
»Darf ich mich setzen?«
»Natürlich«, sagte die Frau und betrachtete ihn prüfend. Wladek setzte sich schweigend und unterzog das Abteil und seine
Insassin einer Prüfung. Ihre Haut war

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