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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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noch wann - wieder zu sich kam, lag er in einem kleinen Zimmer in einem Bett; drei Männer in langen weißen Mänteln standen um ihn herum und sprachen eine Sprache, die er nicht verstand. Wie viele Sprachen gab es auf der Welt? Er betrachtete sich, sah, daß er immer noch schwarz und rot war, und als er sich aufzusetzen versuchte, drückte ihn einer der weißgekleideten Männer, der älteste - er hatte ein hageres, zerfurchtes Gesicht und einen Ziegenbart - in die Kissen zurück. Er sprach Wladek in der fremden Sprache an. Wladek schüttelte den Kopf. Der Arzt versuchte es mit Russisch. Wieder schüttelte Wladek den Kopf - das wäre der rascheste Weg zurück, woher er gekommen war. Als nächstes versuchte der Arzt es mit Deutsch, und Wladek merkte, daß er es besser sprach als sein Befrager.
    »Du sprichst deutsch?«
»Ja.«
»Also bist du kein Russe?«
»Nein.«
»Was hast du in Rußland gemacht?«
»Ich habe versucht zu flüchten.«
»Ach so.«
    Der Mann wandte sich an seine Kollegen und schien über das Gespräch zu berichten. Sie verließen das Zimmer.
    Eine Krankenschwester kam und schrubbte Wladek sauber, ohne viel auf seine Schmerzenslaute zu achten. Sie bedeckte seine Beine mit einer dicken braunen Salbe, dann ließ sie ihn weiterschlafen. Als Wladek zum zweitenmal erwachte, war er allein. Er starrte zur weißen Zimmerdecke empor und überlegte, was er tun sollte.
    Immer noch nicht ganz sicher, in welchem Land er sich befand, kletterte er auf das Fenstersims und schaute aus dem Fenster. Er sah einen Marktplatz, ähnlich jenem in Odessa, doch hier trugen die Männer lange weiße Gewänder und hatten eine dunklere Haut. Auf dem Kopf hatten sie farbenfrohe Hüte, die wie umgestülpte Blumentöpfe aussahen, und an den Füßen Sandalen. Die Frauen waren schwarz gekleidet und hatten sogar das Gesicht bedeckt, nur die Augen waren frei. Wladek schaute zu, wie diese seltsamen Menschen auf dem Markt um ihr tägliches Brot feilschten; das wenigstens schien überall auf der Welt gleich zu sein.
    Er beobachtete die Szene eine Weile, bis ihm plötzlich auffiel, daß an einer Seite des Gebäudes eine rote Eisenleiter bis zum Boden reichte - sie glich der Feuerleiter in seinem Schloß in Slonim. Sein Schloß. Wer würde ihm das glauben? Er kletterte vom Fensterbrett, ging vorsichtig zur Tür und lugte in den Korridor. Frauen und Männer gingen auf und ab, aber niemand interessierte sich für ihn. Leise schloß er die Tür, fand seine Habseligkeiten in einer Kommode in der Zimmerecke und zog sich rasch an. Seine Kleider waren immer noch schwarz vom Kohlenstaub und kratzten auf der sauberen Haut. Wieder zurück zum Fenster. Es ließ sich ganz leicht öffnen. Er schwang sich auf die Feuerleiter und kletterte hinab in die Freiheit. Das erste, was ihn wie ein Schlag traf, war die Hitze. Er wollte, er hätte keinen so warmen Mantel an.
    Unten angekommen, versuchte Wladek zu laufen, aber seine Beine waren so geschwächt und schmerzten so, daß er nur langsam vorwärts kam. Wie gern würde er das Hinken loswerden. Erst als er sich unter die Menschen auf dem Marktplatz gemengt hatte, drehte er sich nach dem Krankenhaus um.
    Wladek begutachtete die verlockenden Lebensmittel auf den Ständen und beschloß, eine Apfelsine und ein paar Nüsse zu kaufen. Er tastete sein Anzugfutter ab; das Geld war doch unter seinem rechten Arm eingenäht gewesen? Ja, aber es war nicht mehr da, und was noch viel schlimmer war, auch der Silberreif war verschwunden. Die Männer in den weißen Mänteln hatten sein Hab und Gut gestohlen. Er überlegte, ob er ins Krankenhaus zurückgehen und sein Erbstück zurückfordern sollte, entschied aber, daß er vorher etwas zu essen haben wollte. Vielleicht fand er noch etwas Geld in der Tasche. Er suchte in den riesigen Manteltaschen und fand darin drei Geldscheine und ein paar Münzen. Auch die Landkarte und der Silberreif waren da. Wladek war glücklich. Er streifte den Silberreif über den Arm und schob ihn bis zum Ellbogen hinauf.
    Wladek entschied sich für die größte Apfelsine, die er sah, und eine Handvoll Nüsse. Der Verkäufer sagte etwas, das er nicht verstand. Eine 50-Rubel-Note würde die Verständigung am schnellsten bewerkstelligen, fand Wladek. Doch der Verkäufer schaute den Schein nur an und hob die Arme zum Himmel.
    »Allah«, rief er aus, nahm Wladek die Orange und die Nüsse wieder weg und deutete ihm an, zu verschwinden. Betrübt ging Wladek weiter; eine andere Sprache bedeutete offenbar auch

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