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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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kehrten sie zu ihrem Waggon
zurück und genossen die Beute: sechs Apfelsinen, fünf Äpfel, drei
Kartoffeln, eine Birne, verschiedene Nüsse und als Krönung eine
Melone. Stefans Taschen waren nie groß genug gewesen, eine
aufzunehmen, während Wladek alles in seinem überdimensionierten
Mantel unterbringen konnte.
»Nicht schlecht«, sagte Wladek und biß in eine Kartoffel. »Ißt du auch die Schale?« fragte Stefan entsetzt.
»Ich habe an Orten gelebt, wo noch die Schale ein Luxus war«,
erwiderte Wladek.
Stefan schaute ihn ehrfürchtig an.
»Nächstes Problem: Wie verschaffen wir uns Geld?« fragte Wladek. »Du willst alles an einem Tag haben, großer Herr, nicht wahr?«
sagte Stefan. »Dockarbeit ist das beste, wenn du ihr gewachsen bist,
Moskowiter.«
»Zeig sie mir«, sagte Wladek.
Nachdem sie die Hälfte des Obstes vertilgt und die andere Hälfte
unter dem Stroh versteckt hatten, führte Stefan seinen neuen
Gefährten die Treppe zum Hafen hinunter und zeigte ihm die Schiffe.
Wladek traute seinen Augen nicht. Der Baron hatte ihm von den
großen Schiffen erzählt, die über die Meere fahren und ihre Fracht in
fremde Länder bringen, aber diese Schiffe waren viel größer, als er sie
sich jemals vorgestellt hatte, und es waren so viele, daß er das Ende
der Reihe nicht absehen konnte.
Stefan unterbrach seine Gedanken. »Siehst du das große grüne
Schiff dort drüben? Die Arbeit geht so vor sich, daß man unten auf
dem Landungssteg einen Korb mit Getreide füllt, die Leiter
hinaufklettert und ihn in den Laderaum schüttet. Für viermal
Hinaufklettern bekommt man einen Rubel. Zähl richtig, Moskowiter,
denn das Schwein von einem Aufseher betrügt dich mit dem größten
Vergnügen und steckt das Geld selbst ein.«
Stefan und Wladek verbrachten den Nachmittag damit, Kornkörbe
die Leiter hinaufzuschleppen. Gemeinsam verdienten sie
sechsundzwanzig Rubel. Nach einem Nachtessen, bestehend aus
Nüssen, Brot und einer Zwiebel, die sie eigentlich gar nicht hatten
stehlen wollen, schliefen sie glücklich in ihrem Waggon ein. Als Stefan am nächsten Morgen aufwachte, studierte Wladek bereits
seine Karte.
»Was ist das?« erkundigte sich Stefan.
»Darauf ist der Weg eingezeichnet, der mich aus Rußland führt.« »Warum willst du fort aus Rußland, wenn du hierbleiben und mein
Partner werden kannst?«
»Nein, ich muß in die Türkei. Dort werde ich zum erstenmal ein
freier Mensch sein. Warum kommst du nicht mit mir, Stefan?« »Ich könnte nie aus Odessa fortgehen. Hier ist mein Zuhause, der
Waggon ist meine Wohnung, und hier sind die Leute, die ich kenne, seit ich auf der Welt bin. Es ist nicht besonders gut, aber in dem Land, das du Türkei nennst, könnte es schlechter sein. Wenn du aber fortwillst, dann werde ich dir helfen, weil ich weiß, wie man
herausfindet, wo ein Schiff herkommt.«
»Wie kann ich feststellen, welches Schiff in die Türkei fährt?« »Ganz einfach. Ein-Zahn-Josef am Ende des Kais wird es uns sagen.
Du mußt ihm einen Rubel dafür geben.«
»Möchte wetten, daß er das Geld mit dir teilt.«
»Fünfzigfünfzig«, sagte Stefan. »Du lernst rasch, Moskauer.« Sprach’s und sprang aus dem Waggon.
Wladek folgte seinem neuen Freund, der behende den Waggon
entlanglief, und wurde sich wieder bewußt, mit welcher Leichtigkeit
sich andere Jungen bewegten, während er schwerfällig hinkte. Am
Ende des Kais führte ihn Stefan in ein kleines, mit verstaubten
Büchern und alten Fahrplänen angeräumtes Zimmer. Wladek konnte
niemanden im Zimmer entdecken, doch dann hörte er hinter einem
großen Bücherhaufen eine Stimme fragen: »Was willst du,
Gassenjunge? Ich habe keine Zeit für dich.«
»Eine Information für meinen Reisegefährten, Josef. Wann fährt der
nächste Luxuskreuzer in die Türkei?«
»Zuerst das Geld«, sagte ein alter Mann, dessen Kopf hinter den
Büchern auftauchte. Ein zerfurchtes, wetterhartes Gesicht und darüber
eine Seemannskappe. Die schwarzen Augen schauten Wladek prüfend
an.
»Er war einmal ein großer Seebär«, flüsterte Stefan so laut, daß
Josef es hören konnte.
»Keine Keckheiten, mein Junge. Wo bleibt der Rubel?« »Mein Freund verwahrt meine Geldbörse«, sagte Stefan. »Zeig ihm
den Rubel, Wladek.«
Wladek zog eine Münze hervor. Josef biß mit seinem einzigen Zahn
auf das Geldstück, schlurfte zum Bücherregal und zog einen großen
grünen Fahrplan hervor. Staub wirbelte auf, und der Alte hustete,
während er die schmutzigen Seiten durchblätterte und mit dem Finger
lange

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