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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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musterte Ricardo verstohlen, während er sich in seinen Stuhl zurücklehnte und eine neue Zigarre anzündete. Weder gefiel ihr der hellgrüne Anzug noch die bunte Krawatte, noch das pomadisierte Haar. Nur weil sie bezweifelte, daß sie anderswo etwas Besseres finden würde, blieb sie sitzen.
»Was haben Sie für Probleme?« fragte Ricardo und spitzte mit einem stumpfen Messer einen Bleistiftstummel. Die Holzspäne fielen überallhin, nur nicht in den Papierkorb. »Haben Sie Ihren Hund, Ihren Schmuck oder Ihren Gatten verloren?«
»Zuerst möchte ich mich Ihrer absoluten Diskretion versichern.«
»Natürlich, natürlich. Das ist ganz selbstverständlich«, sagte Ricardo, ohne von dem langsam verschwindenden Bleistift aufzuschauen. »Trotzdem möchte ich es betonen«, sagte Anne.
»Natürlich, natürlich.«
Wenn der Mann noch einmal ›natürlich‹ sagt, fange ich zu schreien an, dachte Anne. Sie holte Atem. »Ich erhielt anonyme Briefe, in denen behauptet wird, daß mein Mann ein Verhältnis mit meiner besten Freundin hat. Ich möchte wissen, wer die Briefe schreibt und ob die Behauptung wahr ist.«
Als Anne ihre Ängste zum erstenmal laut ausgesprochen hatte, empfand sie ungeheure Erleichterung. Ricardo schaute sie unbewegt an, als höre er derlei nicht zum erstenmal. Er fuhr sich mit der Hand durch das lange schwarze Haar, das, wie Anne feststellte, gut zu seinen Fingernägeln paßte.
»Gut«, sagte er. »Der Gatte - das ist einfach. Herauszufinden, wer die Briefe schreibt, wird wesentlich mühsamer sein. Sie haben die Briefe natürlich aufgehoben?«
»Nur den letzten.«
Glen Ricardo seufzte und streckte müde die Hand aus. Widerstrebend nahm Anne den Brief aus der Handtasche, dann zögerte sie einen Moment.
»Ich weiß, was Sie empfinden, Mrs. Osborne. Aber wenn ich die Hände gebunden habe, kann ich Ihren Auftrag nicht ausführen.«
»Natürlich, Mr. Ricardo. Entschuldigen Sie.«
Anne konnte nicht glauben, daß sie ›natürlich‹ gesagt hatte.
Bevor Ricardo fortfuhr, überflog er zwei-, dreimal den Brief. »Wurden alle Briefe auf diesem Papier geschrieben und in diesen Kuverts geschickt?«
»Soweit ich mich erinnern kann«, sagte Anne, »glaube ich schon.«
»Wenn der nächste kommt…«
»Sind Sie so sicher, daß noch einer kommt?« unterbrach Anne.
»Natürlich. Heben Sie ihn jedenfalls auf. Und jetzt geben Sie mir, bitte, alle Details, was Ihren Gatten betrifft. Haben Sie ein Foto?«
»Ja.«
Wieder zögerte sie.
»Ich möchte mir nur das Gesicht anschauen. Wir wollen doch nicht unsere Zeit damit vertun, den falschen Mann zu beobachten, nicht?«
Wieder öffnete Anne die Handtasche und reichte Ricardo ein abgegriffenes Bild von Henry in Leutnantsuniform.
»Gutaussehender Mann, dieser Mr. Osborne«, bemerkte der Detektiv. »Wann wurde das Foto gemacht?«
»Vor etwa fünf Jahren, glaube ich«, sagte Anne. »Ich kannte ihn noch nicht, als er beim Militär war.«
Ricardo erkundigte sich nach Henrys Tagesablauf. Anne war erstaunt, wie wenig sie von Henrys Gewohnheiten oder von seiner Vergangenheit wußte.
»Das sind nicht sehr viele Hinweise, Mrs. Osborne, aber ich werde mein möglichstes tun. Mein Honorar beträgt zehn Dollar pro Tag plus Spesen. Ich werde Ihnen jede Woche einen schriftlichen Bericht übergeben. Zwei Wochen Vorauszahlung, wenn ich bitten darf.«
Wieder streckte er seine Hand über den Tisch, diesmal etwas eifriger.
Anne öffnete zum drittenmal die Handtasche, nahm zwei neue Hundert-Dollar-Scheine heraus und gab sie Ricardo. Er prüfte die Noten sehr sorgfältig, als sei er nicht ganz sicher, welcher berühmte Amerikaner darauf abgebildet sein sollte. Benjamin Franklin blickte Ricardo, der ihn offenbar schon eine Weile nicht gesehen hatte, ungerührt an. Ricardo gab Anne sechzig Dollar in schmutzigen Fünfern zurück.
»Ich sehe, daß Sie auch sonntags arbeiten, Mr. Ricardo«, sagte Anne, zufrieden mit ihren Rechentalenten.
»Natürlich«, sagte er. »Paßt Ihnen nächste Woche um die gleiche Zeit?«
»Natürlich«, sagte Anne und ging rasch hinaus, um dem Mann hinter dem Schreibtisch nicht die Hand geben zu müssen.
    Als William in seinem Vierteljahresbericht von Kane and Cabot las, daß Henry Osborne - er wiederholte den Namen laut, um es glauben zu können - fünfhunderttausend Dollar für eine persönliche Investition verlangte, verbrachte er einen schlechten Tag. Zum erstenmal seit vier Jahren in St. Paul wurde er bei der Mathematikprüfung nur zweiter. Matthew Lester, der erster geworden war,

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