Archer Jeffrey
Karte und übergab sie Wladek.
»21872-Baron Abel Rosnovski. Willkommen in den Vereinigten Staaten. Viel Glück und alles Gute, Abel.«
12
Im September 1923 kehrte William nach St. Paul zurück, um sein letztes Jahr zu absolvieren, und wurde, genau dreiunddreißig Jahre, nachdem sein Vater das gleiche Amt innehatte, zum Präsidenten der Seniorenklasse gewählt. Diese Wahl gewann William nicht auf die übliche Art - als bester Sportler oder als der beliebteste Junge der Schule. Nach diesen Kriterien hätte sein bester Freund Matthew Lester ohne Zweifel jede Wahl gewonnen. Es war einfach so, daß William der außergewöhnlichste Junge der Schule war, und deshalb war Matthew Lester nicht zu bewegen, gegen ihn anzutreten. Die Schule nominierte William als ihren Kandidaten für das Hamilton Memorial Mathematik-Stipendium, und William arbeitete das ganze Wintersemester verbissen auf dieses Ziel hin.
Als er zu Weihnachten nach Beacon Hill kam, freute er sich auf eine ungestörte Zeit, in der er sich mit den Principia Mathematica auseinandersetzen konnte. Aber es wurde anders als er dachte, denn er fand bei seiner Ankunft verschiedene Einladungen zu Parties und Hausbällen vor. Die meisten konnte er taktvoll absagen, aber ein Fest war absolut unvermeidlich: die Großmütter hatten im Red House am Louisburg Square einen Ball arrangiert. William fragte sich, in welchem Alter er imstande sein würde, sein Haus gegen die beiden großen alten Damen zu verteidigen, und stellte fest, daß diese Zeit noch nicht gekommen war. Er besaß nur wenige gute Freunde in Boston, was die Großmütter jedoch nicht hinderte, eine beachtlich lange Gästeliste zusammenzustellen.
Zu diesem Anlaß schenkten sie William den ersten Smoking doppelreihig, wie es die Mode damals vorschrieb. Zwar gab er vor, von dem Geschenk nicht besonders beeindruckt zu sein, aber später stolzierte er damit im Schlafzimmer umher und betrachtete sich angelegentlich im Spiegel. Am nächsten Tag meldete er ein Ferngespräch nach New York an und lud Matthew Lester für das schicksalhafte Wochenende ein. Matthews Schwester wollte mitkommen, aber ihre Mutter hielt es für unschicklich.
William holte ihn vom Bahnhof ab.
»Übrigens, da fällt mir ein«, sagte Matthew, während der Chauffeur sie nach Beacon Hill brachte, »wäre es nicht an der Zeit, daß du mit einem Mädchen schläfst? Es muß doch in Boston ein paar Mädchen geben, die absolut keinen Geschmack haben?«
»Warum? Hast du schon ein Mädchen gehabt, Matthew?« »Natürlich, letzten Winter in New York.«
»Was hab ich damals gemacht?«
»Vermutlich dich mit Bertrand Russell auseinandergesetzt.« »Du hast mir nie davon erzählt.«
»Es gab nicht viel zu erzählen. Überdies scheinst du dich mehr für
die Bank meines Vaters zu interessieren als für mein knospendes Liebesleben. Es ist bei einem Betriebsfest passiert, das mein Vater zur Feier von Washingtons Geburtstag gab. Um den Zwischenfall richtig zu schildern: Ich wurde von einer der Direktionssekretärinnen vergewaltigt, einer stattlichen Dame namens Cynthia mit noch stattlicheren Brüsten, die wabbelten, als…«
»Hat es dir Spaß gemacht?«
»Ja, aber ich glaube nicht, daß es Cynthia Spaß gemacht hatte. Sie war viel zu betrunken, um mein Vorhandensein zu bemerken. Trotzdem, irgendwo muß man anfangen, und sie war bereit, dem Sohn des Chefs hilfreich beizustehen.«
William sah plötzlich Alan Lloyds korrekte, betagte Sekretärin vor sich.
»Ich glaube nicht, daß ich große Chancen habe, von der Sekretärin unseres Präsidenten in die Mysterien der Liebe eingeweiht zu werden«, überlegte er.
»Du wirst dich noch wundern«, sagte Matthew wissend. »Die, die die Beine so besonders eng zusammenpressen, sind oft diejenigen, die es nicht erwarten können, sie zu öffnen. Ich nehme jetzt alle Einladungen, formelle wie informelle, an. Nicht, daß die Kleidung bei diesen Dingen eine Rolle spielt.«
Der Chauffeur brachte den Wagen in die Garage, und die zwei jungen Männer liefen die Treppen in Williams Haus hinauf.
»Du hast einiges geändert, seit ich zum letztenmal hier war«, sagte Matthew und bewunderte die modernen Rohrmöbel und die neuen Tapeten. Nur der Armstuhl aus rotem Leder stand unverändert an seinem alten Platz.
»Das Haus hat ein wenig Fröhlichkeit gebraucht«, meinte William. »Es sah aus, als lebten wir in der Steinzeit. Überdies wollte ich nicht erinnert werden an… Komm, jetzt haben wir keine Zeit, uns über Innenarchitektur zu
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