Archer Jeffrey
er in den letzten acht Jahren auf die Kochkünste seiner Frau angewiesen gewesen sei. »Sie hat jahrzehntelang keine Bratpfanne angerührt, aber sie macht es von Tag zu Tag besser. Sicherheitshalber hab ich ihr das New York Times -Kochbuch gekauft; das ist so ungefähr die einzige Publikation dieser Zeitung, die mich nicht verrissen hat.« Florentyna lachte nervös. Sie wollte mit den offiziellen Feierlichkeiten fortfahren, andererseits war sie sich bewußt, daß es den Expräsidenten Freude bereitete, wieder im Weißen Haus zu sein. Daher tat sie so, als höre sie aufmerksam zu. Sie ha tte die Maske aufgesetzt, die ihr nach fast zwanzig Jahren in der Politik zur zweiten Natur geworden war.
»Madam President …« Florentyna mußte rasch schalten, damit niemand ihre instinktive Reaktion auf diese Anrede bemerkte. »Es ist eine Minute nach zwölf.« Sie sah zu ihrer Pressesekretärin auf, erhob sich und führte die Expräsidenten und deren Frauen zu den Stufen des Weißen Hauses. Ein letztesmal stimmte die Musikkapelle der Marines »Hail to the Chief« an. Um ein Uhr würde sie es für die neue Präsidentin zum erstenmal spielen.
Die beiden früheren Präsidenten wurden zum ersten Wagen der Autokolonne geleitet – eine schwarze Limousine mit kugelsicherem Verdeck. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Jim Wright, und der Vorsitzende der Mehrheitspartei im Senat, Robert Byrd, der den Kongreß vertrat, saßen bereits im zweiten Auto. Direkt dahinter kamen zwei Wagen mit Sicherheitsbeamten. Florentyna und Edward folgten im fünften Auto. Im nächsten Wagen fuhren Vizepräsident Bradley aus New Jersey und seine Frau.
H. Stuart Knight führte eine weitere Routinekontrolle durch. Aus seinen fünfzig Leuten waren jetzt hundert geworden. Bis Mittag würden es einschließlich der Stadtpolizei und des FBI-Kontingents fünfhundert sein. Die Jungens vom CIA nicht mit eingeschlossen, dachte Knight betrübt. Die sagten ihm bestimmt nicht, ob sie kommen würden oder nicht, und selbst er konnte sie in einer Menschenmenge nicht immer erkennen. Er hörte den Beifall der Zuschauer, der einen Höhepunkt erreichte, als die Präsidentin in Richtung Kapitol losfuhr.
Edward plauderte liebenswürdig, doch Florentynas Gedanken weilten anderswo. Sie winkte mechanisch, aber im Geist ging sie noch einmal ihre Rede durch. Der Konvoi rollte an dem renovierten Willard Hotel und sieben in Bau befindlichen Bürogebäuden vorbei, an übereinandergeschachtelten Wohneinheiten, die den Felsbehausungen von Indianern glichen, an neuen Geschäften und Restaurants und breiten Gehsteigen; am J. Edgar Hoover-Building, welches das FBI beherbergte und immer noch, trotz der Bemühungen einiger Senatoren, den Namen seines ersten Direktors trug. Wie sich diese Straße doch in den letzten fünfzehn Jahren verändert hatte!
Die Autos näherten sich dem Kapitol, und Edward unterbrach die Träumereien der Präsidentin. »Gott mit dir, Liebes.« Sie lächelte und faßte nach seiner Hand. Die sechs Autos hielten an.
Präsidentin Kane betrat das Erdgeschoß des Kapitols. Edward blieb einen Augenblick zurück, um dem Chauffeur zu danken. Die anderen Wageninsassen wurden sofort von Sicherheitsbeamten umringt, als sie ausstiegen. Sie winkten der Menge zu, dann gingen sie einzeln zu ihren Plätzen auf der Plattform. Inzwischen führte der Zeremonienmeister Präsidentin Kane schweigend durch den Tunnel, wo alle zehn Schritt Marineinfanteristen salutierten, zu den Empfangsräumen. Dort wurde sie von Vizepräsident Bradley begrüßt. Sie standen da, redeten Belangloses, und keiner hörte zu, was der andere antwortete.
Die beiden Expräsidenten kamen lächelnd aus dem Tunnel. Zum erstenmal sah der ältere von ihnen so alt aus, wie er tatsächlich war, sein Haar schien über Nacht ergraut zu sein. Wieder ein formelles Händeschütteln zwischen ihnen und Florentyna; sie würden diese Formalität heute noch siebenmal wiederholen.
Der Zeremonienmeister führte sie durch einen kleinen Empfangsraum auf die Plattform. Wie für jede Inauguration eines Präsidenten hatte man sie auch diesmal auf der Osttreppe des Kapitols errichtet. Während die Präsidentin und die Expräsidenten warteten, erhob sich die Me nschenmenge und jubelte; schließlich setzten sich alle nieder und warteten schweigend auf den Regierungswechsel.
»Meine Mitbürger, ich trete mein Amt in einem Auge nblick an, in dem die weltweiten Probleme der Vereinigten Staaten groß und bedrohlich sind. In Südafrika ist
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