Archer Jeffrey
hatte es den Anschein, als ob er ein Vermögen verloren hätte und seine Kollegen liefen im Flur rasch an ihm vorbei, ohne ihm in die Augen zu schauen. Einen Monat später boten ihm sieben andere Banken eine Stelle mitsamt einer beträchtlichen Gehaltserhöhung an.
Nat erhielt zum Jahresende einen Bonus von achttausend Dollar und beschloss, dass die Zeit gekommen war, sich auf die Suche nach einer Geliebten zu machen.
Er erzählte Su Ling nichts von dem Bonus oder der Geliebten, da sie vor kurzem eine Gehaltserhöhung von neunzig Dollar pro Monat erhalten hatte. Was die Geliebte betraf, hatte er eine bestimmte Dame im Auge, an der er jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit vorbeikam. Und sie saß immer noch im Fenster an der Straßenecke, wenn er abends nach SoHo zurückkehrte. Mit jedem Tag, der verstrich, schenkte er der Dame, die ein Bad nahm, tiefere Blicke und schließlich beschloss er, sich nach ihrem Preis zu erkundigen.
»Sechstausendfünfhundert Dollar«, teilte ihm der Galerist mit, »und wenn ich sagen darf, Sir, Sie haben ein gutes Auge. Es ist nicht nur ein prachtvolles Gemälde, Sie tätigen damit auch eine kluge Investition.«
Nat gelangte zu der Erkenntnis, dass Kunsthändler nichts anderes waren als Gebrauchtwagenhändler in Brooks Brothers Anzügen.
»Pierre Bonnard wird im Vergleich zu seinen Zeitgenossen Renoir, Monet und Matisse immer unterschätzt«, fuhr der Händler fort, »aber ich prognostiziere, dass die Preise für ihn in naher Zukunft in die Höhe schießen werden.« Nat waren Bonnards Preise egal: Er war ein Liebender, kein Zuhälter.
*
Seine andere Liebe rief an diesem Nachmittag an und teilte ihm mit, dass sie sich auf dem Weg ins Krankenhaus befand. Er bat Hongkong, in der Leitung zu bleiben.
»Wieso das denn?«, fragte Nat besorgt.
»Weil ich gleich dein Baby zur Welt bringen werde«, erwiderte seine Frau.
»Aber es soll doch erst in einem Monat kommen.«
»Das hat dem Baby offenbar niemand gesagt«, meinte Su Ling.
»Ich bin schon unterwegs, kleine Blume«, rief Nat, vergaß Hongkong und legte den anderen Hörer einfach auf.
*
Als Nat an diesem Abend aus dem Krankenhaus zurückkehrte, rief er seine Mutter an und teilte ihr mit, dass sie einen Enkel hatte.
»Was für wunderbare Neuigkeiten«, schwärmte sie. »Wie
wollt ihr ihn nennen?«
»Luke«, erwiderte er, »Und was wirst du Su Ling als
Erinnerung an diesen Moment schenken?«
Er zögerte kurz und erwiderte dann: »Eine Dame im Bad.« Es dauerte einige Tage, bevor er und der Kunsthändler sich
endlich auf fünftausendsiebenhundertundfünfzig Dollar einigen
konnten, dann wurde der kleine Bonnard von der Galerie in
SoHo an die Schlafzimmerwand ihrer Wohnung transferiert.
»Findest du sie sexy?«, fragte Su Ling an dem Tag, als sie und Luke aus dem Krankenhaus zurückkehrten.
»Nein, obwohl es an ihr mehr zu liebkosen gäbe als an dir. Aber ich persönlich bevorzuge dünne Frauen.«
Su Ling betrachtete ihr Geschenk eine Weile, bevor sie ein Urteil abgab.
»Es ist wirklich umwerfend. Danke schön.«
Nat war entzückt, dass seine Frau das Gemälde offenbar ebenso zu schätzen wusste wie er. Und es erleichterte ihn, dass sie nicht danach fragte, wie viel die Dame gekostet hatte.
Was als Marotte auf einer Reise mit Tom von Rom über Venedig nach Florenz begonnen hatte, entwickelte sich schnell zu einer Sucht, der Nat sich nicht entziehen konnte. Jedes Mal, wenn er einen Bonus erhielt, suchte er sich ein neues Gemälde aus. Nat hätte den Gebrauchtwagenhändler als unwichtig abtun können, aber dessen Einschätzung erwies sich als korrekt, denn Nat wählte weiter Impressionisten, die er sich gerade noch leisten konnte – Vuillard, Luce, Pissarro, Camoin und Sisley – und stellte später fest, dass sie ebenso schnell an Wert gewannen wie die finanziellen Investitionen, die er für seine Mandanten an der Wall Street tätigte.
Su Ling freute sich über ihre wachsende Sammlung. Sie interessierte sich nicht dafür, was Nat für seine Geliebten bezahlte und noch weniger für deren Investitionswert. Möglicherweise lag das daran, dass sie im Alter von fünfundzwanzig Jahren zur jüngsten außerordentlichen Professorin in der Geschichte von Columbia ernannt wurde, dennoch verdiente sie in einem Jahr weniger als Nat in einer Woche.
Man musste ihn nicht länger darauf hinweisen, wie obszön das war.
*
Fletcher erinnerte sich gut an den Vorfall.
Matt Cunliffe hatte ihn gebeten, einen Schriftsatz zur
Unterschrift
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