Archer Jeffrey
Göre ihrem Heim den Rücken gekehrt hatte, war Fletcher völlig erschöpft, aber Annie sagte nur: »Ich denke, das ist großartig gelaufen.«
Fletcher traf sich auch weiterhin viel mit Jimmy, der – wie er selbst sagte – dank seines Vaters eine Stelle bei einer kleinen, aber angesehenen Kanzlei in der Lexington Avenue gefunden hatte. Seine Arbeitszeit war fast so schlimm wie die von Fletcher, aber seine Verantwortung als Vater motivierte ihn und das verstärkte sich noch, als Joanna ein zweites Kind zur Welt brachte. Die beiden beteten sich an und waren das Neidobjekt zahlreicher Zeitgenossen, die bereits die Scheidung eingereicht hatten. Als Fletcher hörte, dass Joanna ein zweites Kind erwartete, hoffte er, dass auch Annie bald nachfolgen würde; er beneidete Jimmy um seinen Sohn. Oft musste er an Harry Robert denken.
Aufgrund seines Arbeitspensums schloss Fletcher kaum neue Freundschaften, mit Ausnahme von Logan Fitzgerald, der am selben Tag wie er in die Kanzlei eingetreten war. Häufig verglichen sie beim Mittagessen ihre Notizen oder tranken noch etwas, bevor Fletcher abends mit dem Zug nach Hause fuhr. Bald schon wurde der große, blonde Ire nach Ridgewood eingeladen, um Annies unverheirateten Freundinnen vorgestellt zu werden. Obwohl Fletcher wusste, dass Logan und er Konkurrenten waren, beeinträchtigte das ihre Freundschaft nicht; es schien die Verbindung zwischen ihnen sogar noch stärker zu machen. Sie erlebten in ihrem ersten Jahr beide kleinere Triumphe und Rückschläge und niemand in der Kanzlei schien sagen zu können, wer von beiden zuerst zum Partner aufsteigen würde.
Eines Abends stellten Fletcher und Logan bei einem Drink fest, dass sie nun richtiggehend zur Kanzlei gehörten. In wenigen Wochen würden neue Trainees auftauchen und sie selbst würden eine Stufe höher rutschen und nicht länger die Packesel spielen müssen. Sie hatten beide interessiert die Lebensläufe jener Kandidaten studiert, die es in die engere Wahl geschafft hatten.
»Was hältst du von den Bewerbern?«, wollte Fletcher wissen und versuchte, dabei nicht überheblich zu klingen.
»Gar nicht übel«, erwiderte Logan und bestellte das übliche Light-Bier für Fletcher. »Mit einer Ausnahme – dieser Typ aus Stanford. Es ist mir schleierhaft, wie er es in die engere Wahl geschafft hat.«
»Ich habe gehört, er sei Bill Alexanders Neffe.«
»Tja, das mag ja ein guter Grund sein, ihn in die engere Wahl zu ziehen, aber es ist kein Grund, ihm auch noch eine Stelle anzubieten. Ich denke nicht, dass wir ihn wiedersehen werden«, sagte Logan. »Übrigens kann ich mich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern.«
*
Nat gehörte zu den drei jüngsten Mitarbeitern bei Morgan. Sein unmittelbarer Vorgesetzter war der achtundzwanzigjährige Steven Ginsberg, und dessen Stellvertreter Adrian Kenwright hatte soeben seinen sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Die drei kontrollierten einen Fonds von über einer Million Dollar.
Da die Devisenmärkte in Tokio öffneten, wenn die meisten zivilisierten Amerikaner gerade zu Bett gingen, und in Los Angeles schlossen, wenn die Sonne nicht länger über dem amerikanischen Kontinent erstrahlte, musste einer aus dem Team rund um die Uhr Dienst schieben. Steven gab Nat nur einmal nachmittags frei, damit er zugegen sein konnte, als Su Ling ihren Doktortitel in Harvard erhielt und selbst da musste er die anschließende Feier vorzeitig verlassen, damit er ein dringendes Telefonat führen und erklären konnte, warum die italienische Lira sich auf den Weg in den Keller machte.
»Nächste Woche um diese Zeit könnten in Italien die Kommunisten regieren«, sagte Nat. »Darum sollten Sie jetzt in Schweizer Franken umtauschen. Und stoßen Sie alle Pesetas oder Pfund Sterling ab, denn dort regieren die Sozialisten und die werden als Nächste unter Druck geraten.«
»Was ist mit der deutschen Mark?«
»Behalten Sie die Mark, diese Währung wird so lange
unterschätzt werden, wie die Berliner Mauer steht.«
Obwohl die beiden älteren Mitglieder ihrer Gruppe sehr viel mehr Erfahrung in der Finanzwelt hatten als Nat und sie bereit waren, ebenso hart wie er zu arbeiten, erkannten sie neidlos an, dass Nat aufgrund seines politischen Riechers einen Markt schneller analysieren konnte als sonst jemand, mit dem sie – oder gegen den sie – je gearbeitet hatten.
An dem Tag, als alle Welt Dollar verkaufte und in Pfund investierte, verkaufte Nat sofort Pfund auf dem Devisenterminmarkt. Acht Tage lang
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