Archer Jeffrey
Minuten, nachdem es überwiesen worden war, an die Banco Mexico zu transferieren. Von dort würde es der Sonne folgen, bis es schließlich jenseits des Horizonts verschwand, darüber war sich Nat im Klaren. Er kam zu dem Schluss, dass es sinnlos wäre, die Polizei zu verständigen, wenn er nicht die halbe Bankwelt in sein Geheimnis einweihen wollte. Vermutlich hatte sich Julia oder wie immer sie in Wirklichkeit hieß, auch das bereits gedacht.
Nat arbeitete zügig fast alles auf, was in seiner Abwesenheit liegen geblieben war, bevor er das Büro verließ und mit dem Zug nach New York fuhr. Er traf fast in letzter Sekunde in den Büroräumen von Kirkbridge & Co an der 97th Street ein. Er hatte kaum Zeit, sich im Empfangsbereich auf einen der Besucherstühle zu setzen, als bereits eine Tür geöffnet wurde. Er sah auf und erblickte eine vornehme, elegant gekleidete Frau auf der Schwelle. »Mr Cartwright?«
»Ja«, sagte er und erhob sich.
»Ich bin Julia Kirkbridge. Kommen Sie doch bitte in mein Büro.«
Derselbe ausgeprägte englische Akzent. Nat konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal der Direktor einer Firma persönlich im Empfangsbereich abgeholt hatte, anstatt eine Sekretärin zu schicken. Schon gar kein Direktor in New York.
»Ihr Anruf hat mich fasziniert«, sagte Mrs Kirkbridge und führte Nat zu einem bequemen Sessel am Kamin. »Es kommt nicht oft vor, dass mich ein Bankier aus Connecticut hier in New York besucht.«
Nat zog einige Papiere aus seinem Aktenkoffer und versuchte gleichzeitig, die Frau einzuschätzen, die ihm gegenübersaß. Ihre Kleidung war ebenso wie die der Hochstaplerin maßgeschneidert, aber weitaus konservativer, und obwohl sie schlank und Mitte dreißig war, stellten ihr dunkles Haar und ihre braunen Augen einen absoluten Gegensatz zu der Blondine aus Minnesota dar.
»Es ist im Grunde ganz einfach«, fing Nat an. »Der Stadtrat von Hartford hat ein weiteres Grundstück freigegeben, das als Einkaufszentrum kommerziell genutzt werden darf. Die Bank hat das Gelände zu Investitionszwecken erworben und sucht nun einen Partner. Wir dachten, dass Sie eventuell daran interessiert sein könnten.«
»Warum gerade wir?«, wollte Julia wissen.
»Sie gehörten zu den Firmen, die ursprünglich Gebote für das Robinson-Gelände abgegeben haben, das sich übrigens als großartiger Erfolg erwiesen hat. Darum dachten wir, dass Sie auch an diesem neuen Projekt Interesse haben könnten.«
»Es überrascht mich ein wenig, dass Sie uns nicht schon vor dem Kauf angesprochen haben«, meinte Mrs Kirkbridge, »denn wenn Sie das getan hätten, würden Sie festgestellt haben, dass wir die Auflagen als viel zu restriktiv verworfen haben.« Nat war überrascht. »Schließlich gehört das zu unserem Job«, fuhr Mrs Kirkbridge fort.
»Ja, ich weiß«, sagte Nat und versuchte, Zeit zu schinden.
»Darf ich fragen, wie hoch der Verkaufspreis war?«, erkundigte sich Mrs Kirkbridge.
»3 600000 Dollar.«
»Weit über unserer Schätzung«, erklärte Mrs Kirkbridge und blätterte eine Seite in einer Akte um, die vor ihr auf dem Tisch lag.
Nat hatte sich immer für einen guten Pokerspieler gehalten, aber er hatte keine Ahnung, ob Mrs Kirkbridge bluffte. Ihm blieb nur noch eine Karte. »Tja, es tut mir Leid, Ihre Zeit verschwendet zu haben«, sagte er und stand auf.
»Möglicherweise haben Sie das ja nicht.« Mrs Kirkbridge blieb sitzen. »Es interessiert mich immer noch, Ihren Vorschlag zu hören.«
»Wir suchen nach einem fifty-fifty Partner«, sagte Nat und setzte sich wieder.
»Wie meinen Sie das genau?«, fragte Mrs Kirkbridge.
»Sie investieren 1,8 Millionen Dollar, die Bank finanziert den Rest der Summe und sobald wir unser Geld wieder eingefahren haben, werden alle Gewinne zu je fünfzig Prozent geteilt.«
»Keine Bankgebühren und bestmögliche Zinsen?«
»Ich denke, das lässt sich arrangieren«, sagte Nat.
»Warum lassen Sie mir Ihre Unterlagen nicht hier, Mr Cartwright. Ich melde mich dann wieder bei Ihnen. Wie viel Zeit habe ich, bis ich mich entscheiden muss?«
»Ich treffe heute zwei weitere potenzielle Investoren in New York«, log Nat. »Sie haben seinerzeit ebenfalls Gebote für das Robinson-Gelände abgegeben.«
Aus ihrem Gesichtsausdruck ließ sich nicht schließen, ob sie ihm glaubte.
Plötzlich lächelte Mrs Kirkbridge. »Vor einer halben Stunde hat mich der oberste Stadtrat von Hartford angerufen. Ein Mr Cooke.«
Nat erstarrte. »Ich habe den Anruf nicht entgegengenommen, weil ich es für
Weitere Kostenlose Bücher