Archer Jeffrey
der Straße, in den Einkaufszentren, an den Fabriktoren, in den Schulen und Vereinen fühlte sich Nat gleich viel entspannter als in den verräucherten Räumen, in denen er Leuten zuhörte, die glaubten, es sei ihr von Gott gegebenes Recht, einen Kandidaten zu bestimmen.
Nach zwei Wochen, in denen Nat unzählige Hände geschüttelt hatte, erklärte er Tom, dass es ihm sehr viel Mut mache, wie viele Wähler ihm versicherten, sie würden für ihn stimmen. Er frage sich nur, ob Elliot von ihnen dasselbe zu hören bekam.
»Keine Ahnung«, meinte Tom, während sie zu einem weiteren Treffen fuhren, »aber ich kann dir sagen, dass uns das Geld rasant schnell ausgeht. Wenn wir morgen haushoch verlieren, müssen wir uns möglicherweise von dem Rennen zurückziehen. Dann haben wir an einem der kürzesten Wahlkämpfe der Geschichte teilgenommen. Wir könnten die Welt natürlich wissen lassen, dass Bush dich unterstützt, denn das würde dir ganz sicher einige Stimmen sichern.«
»Nein«, erklärte Nat entschlossen. »Das war ein privates Gespräch und keine öffentliche Erklärung.«
»Aber Elliot redet ständig von seiner Einladung ins Weiße Haus zu seinem alten Freund George, als ob es ein intimes Abendessen zu zweit gewesen wäre.«
»Und was glaubst du, was der Rest der republikanischen Delegation darüber denkt?«
»Das ist für den Durchschnittswähler doch viel zu subtil«, entgegnete Tom.
»Unterschätze nie den Durchschnittswähler«, mahnte Nat.
*
Nat konnte sich kaum an die Vorwahl in Chelsea erinnern, er wusste nur noch, dass er ständig in Bewegung war. Als kurz nach Mitternacht verkündet wurde, dass Elliot mit 6109 Stimmen gegenüber 5302 Stimmen für Cartwright gewonnen hatte, lautete Nats einzige Frage:
»Können wir es uns leisten weiterzumachen, wo Elliot unter den Delegierten 27 zu 10 führt?«
»Der Patient atmet noch«, erwiderte Tom. »Aber gerade mal so. Also begeben wir uns jetzt nach Hartford und wenn Elliot dort auch gewinnt, werden wir nicht verhindern können, dass wir von seiner Wahlkampfkolonne überrollt werden. Sei einfach nur dankbar, dass du noch einen Job hast, zu dem du zurückkehren kannst«, fügte er mit einem Lächeln hinzu.
Mrs Hunter, die nur zwei Stimmen für sich gewinnen konnte, räumte ihre Niederlage ein, verkündete, dass sie sich aus dem Rennen zurückziehen und schon in naher Zukunft bekannt geben werde, welchen Kandidaten sie von nun an unterstützen wolle.
Nat genoss es, in seine Heimatstadt zurückzukehren, wo ihm die Menschen auf der Straße wie einem Freund entgegenkamen. Tom wusste, wie viel Arbeit sie in Hartford investieren mussten
– nicht nur, weil es ihre letzte Chance war, sondern weil Hartford als Hauptstadt des Bundesstaates auch die meisten Stimmen vereinte, insgesamt neunzehn, und gemäß der prähistorischen Gesetzmäßigkeit, dass der Gewinner alles kriegt, würde Nat mit 29 zu 27 in Führung gehen, falls er sich hier als siegreich erwies. Falls er verlor, könnte er seine Koffer auspacken und fortan zu Hause bleiben.
Während des Wahlkampfs mussten die beiden Kandidaten häufig gemeinsam an Veranstaltungen teilnehmen, doch dann nahmen sie sich kaum zur Kenntnis und hielten ganz gewiss keinen Plausch miteinander.
Drei Tage vor der Vorwahl zeigte eine Umfrage des Hartford Courant, dass Nat zwei Punkte vor seinem Rivalen lag, und es hieß, dass Barbara Hunter Cartwright unterstützen wolle – genau die Schützenhilfe, die Nats Kampagne brauchte. Am nächsten Morgen fiel ihm auf, dass sehr viel mehr Freiwillige mit ihm auf der Straße Wahlkampf führten, und zahlreiche Passanten blieben stehen, um ihm die Hand zu schütteln.
Er befand sich gerade im Robinson-Einkaufszentrum, als ihn der Anruf von Murray Goldblatz erreichte. »Tut mir Leid, aber ich muss Sie dringend sprechen.« Murray verwendete das Wort dringend nur, wenn er es genauso meinte.
Als Nat in der Bank eintraf, teilte ihm die Empfangsdame mit, der Vorstandsvorsitzende befinde sich mit Mr und Mrs Russell im Konferenzraum. Nat trat ein und nahm wie üblich gegenüber von Murray Platz. Der Gesichtsausdruck seiner drei Kollegen kündete von keiner frohen Botschaft. Murray kam sofort zur Sache. »Ich habe gehört, dass Sie heute Abend an einer Wahlveranstaltung teilnehmen, auf der sowohl Sie als auch Elliot eine Rede halten sollen?«
»Stimmt«, bestätigte Nat. »Es ist die letzte große Veranstaltung vor … –«
»Ich habe eine Spionin in Elliots Lager«, unterbrach Murray. »Sie hat mir
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