Archer Jeffrey
mitgeteilt, dass man für heute Abend eine Frage geplant hat, die angeblich Ihre Kampagne zum Entgleisen bringen wird, aber sie kann nicht herausfinden, wie die Frage lautet, und sie möchte auch nicht allzu forsch vorgehen, damit niemand misstrauisch wird. Haben Sie eine Ahnung, worum es sich bei dieser Frage handeln könnte?«
»Nein«, erwiderte Nat.
»Vielleicht hat er das mit Julia herausgefunden«, sagte Tom leise.
»Julia?«, hakte Murray verblüfft nach.
»Nein, nicht meine Frau«, antwortete Tom. »Die erste Mrs Kirkbridge.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass es eine erste Mrs Kirkbridge gab«, sagte Murray.
»Das können Sie auch nicht«, meinte Tom. »Aber ich hatte immer befürchtet, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommen könnte.« Murray hörte aufmerksam zu, als Tom erzählte, wie er die Frau, die sich als Julia Kirkbridge ausgegeben hatte, getroffen hatte, wie sie den Scheck unterschrieben und dann das ganze Geld von ihrem Konto abgehoben hatte.
»Wo ist dieser Scheck jetzt?«, wollte Murray wissen.
»Vermutlich irgendwo in den Eingeweiden des Rathauses.«
»Dann müssen wir davon ausgehen, dass Elliot ihn ausgegraben hat. Haben Sie, technisch gesehen, das Gesetz gebrochen?«
»Nein, aber wir haben unsere schriftliche Abmachung mit dem Stadtrat nicht eingehalten«, erwiderte Tom.
»Aber das Cedar-Wood-Projekt wurde zu einem überwältigenden Erfolg und brachte allen Seiten stattliche Gewinne ein«, ergänzte Nat.
»Tja, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten«, meinte Murray. »Entweder legen Sie offen die Karten auf den Tisch und geben noch heute Nachmittag eine Presseerklärung heraus oder Sie warten ab, bis er die Bombe heute Abend platzen lässt und hoffen, dass Sie auf jede seiner Fragen eine gute Antwort parat haben.«
»Was würden Sie empfehlen?«, fragte Nat.
»Ich würde gar nichts tun. Zum einen könnte sich meine Informantin irren und zum anderen könnte es sich bei dem Cedar-Wood-Projekt gar nicht um die fragliche Angelegenheit handeln, dann hätten Sie völlig unnötig die Büchse der Pandora geöffnet.«
»Was sollte es sonst sein?«, sagte Nat.
»Rebecca?«, schlug Tom vor.
»Wie meinst du das?«
»Du hättest sie geschwängert und dann verlangt, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.«
»Das ist kein Verbrechen«, warf Murray ein.
»Außer sie behauptet, du hättest sie vergewaltigt.«
Nat lachte. »Elliot wird dieses Thema sicher nicht aufbringen, denn er könnte sehr wohl selbst der Vater sein und eine Abtreibung passt nicht zu seinem Heiligenscheinimage.«
»Haben Sie je daran gedacht, ihn Ihrerseits anzugreifen?«, fragte Murray.
»An was denken Sie da?«, erkundigte sich Nat.
»Musste Elliot nicht am selben Tag bei Alexander Dupont & Bell kündigen wie der Seniorpartner, weil eine halbe Million vom Konto eines Mandanten fehlte?«
»Nein, auf dieses Niveau lasse ich mich nicht herab«, entgegnete Nat. »Außerdem konnte man Elliot nie eine Beteiligung nachweisen.«
»Oh doch, das konnte man«, erklärte Murray. Tom und Nat starrten den Vorstandsvorsitzenden an. »Ein Freund von mir war besagter Mandant und er hat mich noch am selben Tag angerufen, als er hörte, dass Elliot unser Rechtsbeistand werden sollte.«
Nat seufzte. »Das mag ja alles sein, aber meine Antwort lautet dennoch nein.«
»Gut«, erklärte Murray. »Dann werden wir ihn nach Ihren Regeln schlagen und das bedeutet, dass wir den Rest des Nachmittags Antworten auf alle Fragen vorbereiten müssen, die er Ihnen stellen könnte.«
Um 18 Uhr verließ Nat völlig erschöpft die Bank. Er rief Su Ling an und erzählte ihr, was geschehen war. »Soll ich heute Abend mitkommen?«, fragte sie.
»Nein, kleine Blume. Aber könntest du Luke irgendwie beschäftigen? Falls es schmutzig werden sollte, wäre es mir lieber, wenn er nicht dabei ist. Du weißt, wie sensibel er sein kann, und er nimmt alles gleich so persönlich.«
»Ich gehe mit ihm ins Kino – im Arcadia bringen sie einen französischen Film und Luke und Kathy flehen mich schon die ganze Woche an, ihn anschauen zu dürfen.«
Nat versuchte, nicht nervös zu erscheinen, als er an diesem Abend im Goodwin House eintraf. Er ging in den Bankettsaal des Hotels und stellte fest, dass dort schon mehrere Hundert ortsansässige Geschäftsleute saßen und plauderten. Doch wen würden sie unterstützen, fragte er sich. Vermutlich hatten sich viele von ihnen noch nicht entschieden, denn Umfrageergebnisse zeigten, dass immer noch zehn Prozent unschlüssig waren. Der Oberkellner führte
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