Archer Jeffrey
etwas erwidern, beschloss aber, dass es das nicht wert war. Er ging ohne ein weiteres Wort. In dieser Nacht lag er wach und erkannte, dass Rebecca wie so viele andere Dinge nur noch ein Teil seines früheren Lebens war.
Eine von Nats überraschenden Entdeckungen bei seiner Rückkehr an die Universität war die, wie viele Studenten ihn drängten, als Präsident des Studentenausschusses gegen Elliot anzutreten. Aber Nat machte deutlich, dass er kein Interesse daran hatte, einen Wahlkampf zu führen, während er immer noch die verlorene Zeit aufholen musste.
Als Nat am Ende des zweiten Jahres nach Hause zurückkehrte, teilte er seinem Vater mit, dass er sich ebenso sehr darüber freute, im Querfeldeinlauf jetzt unter einer Stunde zu liegen, wie darüber, dass er zu den besten sechs seines Jahrgangs gehörte.
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Im Sommer reisten Nat und Tom nach Europa. Einer der vielen Vorteile, die die Besoldung eines Captains mit sich brachte, war die Tatsache, dass Nat seinen besten Freund jetzt begleiten konnte, ohne das Gefühl zu haben, sich das eigentlich gar nicht leisten zu können.
Ihr erster Aufenthalt führte sie nach London, wo sie die Wachen an Whitehall vorbeimarschieren sahen. Nat hegte keinen Zweifel daran, dass sie in Vietnam eine beeindruckende Einheit abgeben würden. In Paris schlenderten sie über die Champs-Elysees und bedauerten es, jedes Mal, wenn sie eine schöne Frau ansprechen wollten, erst in einem Wörterbuch blättern zu müssen. Dann reisten sie weiter nach Rom und entdeckten in winzigen Cafes in dunklen Nebenstraßen zum ersten Mal, wie Pasta wirklich schmecken sollte. Sie schworen sich, nie wieder bei McDonald’s zu essen.
Doch erst als sie nach Venedig kamen, verliebte sich Nat und wurde über Nacht promisk. Sein Geschmack reichte von nackten Frauen bis zu Jungfrauen. Es begann mit einem Quickie – da Vinci, gefolgt von Bellini und dann Luini. Die Intensität dieser Affären war so heftig, dass Tom sich einverstanden erklärte, ein paar Tage länger in Italien zu bleiben und sogar Florenz auf ihren Reiseplan zu setzen. Neue Liebesobjekte fanden sich an jeder Straßenecke – Michelangelo, Caravaggio, Canaletto, Tintoretto. Fast jeder mit einem o am Namensende war für Nats Harem geeignet.
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Professor Karl Abrahams stand während seiner fünften Vorlesung in diesem Semester vor dem Pult und starrte auf den Halbkreis der Bankreihen, die sich vor ihm erhoben.
Ohne ein Buch, ohne Aktenordner, nicht einmal mit einem Blatt Papier vor sich, eröffnete er die Vorlesung und führte sie durch einen bedeutenden Fall: Carter gegen Amalgamated Steel.
»Mr Carter verlor 1923 bei einem Arbeitsunfall einen Arm«, fing der Professor an. »Er wurde ohne einen Cent Abfindung entlassen. Es war ihm nicht möglich, eine neue Anstellung zu finden, da keine andere Stahlfirma einem Einarmigen eine Stelle anbieten wollte. Als ihm sogar ein örtliches Hotel den Job als Türsteher verweigerte, wurde ihm klar, dass er nie wieder Arbeit finden würde. Vor 1927 gab es kein Gesetz zur Kompensation bei Arbeitsunfällen, daher entschloss sich Mr Carter zu dem seltenen und in jener Zeit beinahe unerhörten Schritt, seinen Arbeitgeber zu verklagen. Er konnte sich keinen Anwalt leisten
– das hat sich im Laufe der Jahre auch nicht geändert –, doch ein junger Jurastudent, der das Gefühl hatte, Mr Carter habe keine faire Entschädigung erhalten, bot sich an, ihn vor Gericht zu vertreten. Er gewann den Fall und Carter bekam eine Entschädigung von einhundert Dollar – keine große Summe für einen solchen Verlust, könnten Sie nun denken. Doch ist es überhaupt nur diesen beiden Männern zu verdanken, dass es eine entsprechende Gesetzesänderung gab. Lassen Sie uns hoffen, dass einer von Ihnen irgendwann in der Zukunft das Gesetz zu ändern vermag, wenn er auf eine solche Ungerechtigkeit stößt. Nachbemerkung: Der Name des jungen Anwalts lautete Theo Rampleiri. Es gelang ihm nur mit Mühe, nicht von der Uni zu fliegen, die argumentierte, er habe zu viel Zeit mit dem Carter-Fall verbracht. Später, sehr viel später wurde er an den obersten Gerichtshof berufen.«
Der Professor runzelte die Stirn. »Letztes Jahr bezahlte General Motors einem Mr Cameron fünf Millionen Dollar für den Verlust eines Beines. Und das, obwohl General Motors nachweisen konnte, dass Mr Camerons eigene Fahrlässigkeit zu dem Unfall geführt hatte.«
Abrahams erläuterte diesen Fall ausführlich und fügte dann hinzu:
»Wie Charles Dickens uns
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