Archer Jeffrey
Stuhl und
einer winzigen Kommode zurück und brach dort erschöpft
zusammen. Das einzige Bild im Zimmer befand sich auf dem
Kalender, der über Marks Bett hing. Um das Datum des 1.
September 1960 war ein roter Kreis gemalt, der ihn daran
erinnerte, wann er sich zu Hause den Freunden in der Fabrik anschließen durfte. Jede Nacht kreuzte er darauf vor dem Schlafengehen einen weiteren verhaßten Tag durch, gleich
einem Sträfling, der in seine Zellenwand Strichlisten ritzt. Zu Weihnachten kehrte Mark zu einem viertägigen Urlaub
heim, und als seine Mutter sah, in welcher Verfassung ihr Sohn
war, versuchte sie seinen Vater dazu zu überreden, ihm zu
erlauben, seinen Job früher als geplant aufzugeben. Aber Arthur
blieb unerbittlich.
»Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Man kann nicht von
mir erwarten, daß ich ihm einen Job in der Fabrik besorge, wenn
er noch nicht einmal genug Verantwortung zeigt, seinen Teil des
Abkommens einzuhalten.«
Während des Urlaubs wartete Mark vor dem Fabriktor auf
seine Freunde und hörte ihren Geschichten von Wochenenden
zu, an denen sie sich Fußballspiele ansahen, im Pub tranken und
zur Musik der Everly Brothers tanzten. Sie hatten alle
Verständnis für seine Lage und freuten sich auf September,
wenn er zu ihnen stoßen würde. »Bloß noch ein paar Monate«,
erinnerte ihn einer von ihnen fröhlich.
Viel zu schnell befand Mark sich wieder auf dem Rückweg
nach London, wo er lustlos weiter Monat für Monat Koffer auf
den Hotelfluren hin und hertrug.
Sobald die englische Regenperiode vorbei war, begann der
übliche Zustrom amerikanischer Touristen. Mark mochte die
Amerikaner, die ihn wie ihresgleichen behandelten und ihm oft
einen Shilling Trinkgeld zusteckten, während andere ihm nur
Sixpence gaben. Welchen Betrag Mark jedoch auch immer
bekam, Sergeant Crann steckte ihn mit dem unvermeidlichen
»Deine Zeit wird kommen, mein Junge« in die eigene Tasche. Einer dieser Amerikaner, für den Mark während dessen
zweiwöchigen Aufenthalts jeden Tag unermüdlich
umhergerannt war, gab dem Jungen schließlich, als er den
Haupteingang des Hotels verließ, eine Zehnpfundnote.
Mark sagte: »Danke, Sir«, drehte sich um und sah, daß
Sergeant Crann ihm den Weg versperrte.
»Her damit«, sagte Crann, sobald der amerikanische Gast
außer Hörweite war.
»Ich wollte es Ihnen sowieso gleich geben, als ich Sie sah«,
erwiderte Mark und überreichte seinem Vorgesetzten die
Banknote.
»Du hattest doch hoffentlich nicht vor, etwas einzustecken,
was rechtmäßig mir gehört, oder?«
»Nein, hatte ich nicht«, sagte Mark. »Obwohl ich es mir weiß
Gott redlich verdient habe.«
»Deine Zeit wird kommen, mein Junge«, sagte Sergeant Crann
rein gewohnheitsmäßig.
»Nicht, solange hier jemand das Sagen hat, der so knauserig ist
wie Sie«, entgegnete Mark heftig.
»Was hast du da gerade gesagt, mein Junge?« fragte der
Chefportier und drehte sich dabei um.
»Sie haben mich schon beim ersten Mal verstanden, Sarge.« Die Ohrfeige kam für Mark völlig überraschend.
»Du, mein Junge, hast gerade deinen Job verloren. Niemand,
aber auch wirklich niemand redet so mit mir.« Sergeant Crann
wendete sich um und setzte sich forsch in Richtung des
Direktionsbüros in Bewegung.
Der Hoteldirektor, Gerald Drummond, hörte sich den Vorfall
in der Version des Chefportiers an und bat dann Mark, sich
sofort in seinem Büro zu melden. »Sie sind sich doch wohl
darüber im klaren, daß ich keine andere Wahl habe, als Sie zu
entlassen«, waren seine ersten Worte, sobald die Tür sich
geschlossen hatte.
Mark hob den Blick zu dem hochgewachsenen, eleganten
Mann in dem langen schwarzen Rock mit weißem Kragen und
schwarzer Krawatte. »Darf ich Ihnen erzählen, was tatsächlich
passiert ist, Sir?« fragte er.
Mr. Drummond nickte und hörte, ohne ihn zu unterbrechen,
zu, als Mark ihm seine Version dessen, was an jenem Morgen
geschehen war, und auch die mit seinem Vater getroffene
Übereinkunft darlegte. »Bitte, lassen Sie mich meine letzten
zehn Wochen noch ableisten«, schloß Mark seine
Ausführungen, »sonst sagt mein Vater, ich hätte meinen Teil
unseres Abkommens nicht eingehalten.«
»Ich habe im Augenblick keine andere freie Stelle für Sie«,
erklärte der Direktor. »Es sei denn, Sie wären bereit, zehn
Wochen lang Kartoffeln zu schälen.«
»Mir ist alles recht«, sagte Mark.
»Dann melden Sie sich morgen früh um sechs in der Küche.
Ich werde dem Sous-Chef sagen, daß Sie kommen. Nur, falls Sie
denken, der Chefportier sei
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