Archer Jeffrey
sich selbst je ein großes Glas Milch ein. Adam knotete das Handtuch fester, hängte den Blazer über die Lehne des Stuhls, der neben dem Herd stand, und ließ sich neben dem Bauern nieder. Ein köstlicher Duft stieg aus der Pfanne, in der die Bäuerin von dem großen Stück Speck im Kamin eine dicke Scheibe briet.
Der Bauer hob sein Glas Milch in die Höhe.
»Auf Winston Churchill!« rief er.
Adam hob sein Glas ebenfalls hoch.
»Charles de Gaulle!« erwiderte er und trank die warme Milch aus, als wäre es sein erstes Pint Bier in der Stammkneipe.
Der Bauer griff nochmals nach dem Milchkrug und füllte nach. » Merci « , sagte Adam zur Bäuerin, als sie einen großen Teller mit brutzelndem Speck und Eiern vor ihn hinstellte. Sie nickte, reichte ihm Messer und Gabel und sagte: » Mangez- essen Sie!«
Sie säbelte eine dicke ovale Schnitte von einem riesigen Brotlaib, der auf dem Tisch lag. » Merci, merci « , wiederholte Adam.
Er machte sich gierig über das Essen her; es war seine erste Mahlzeit seit dem Menü, das er sich auf Robins Kosten bestellt hatte.
Plötzlich stand der Bauer von seinem Stuhl auf und streckte die Hand aus, die Adam dankbar schüttelte. Dabei wurde er aber schmerzhaft daran erinnert, wie weh ihm seine Schulter tat.
» Je dois travailler à la laiterie « , erklärte der Bauer. »Ich muß in den Stall, melken«, und wiederholte beim Verlassen des Raumes noch einmal: »Mangez!«
Adam aß wie ein Verhungernder, gerade daß er nicht auch noch den Teller ableckte. Er brachte ihn zur Bäuerin an den Herd, die ihm daraufhin eine große Tasse dampfend heißen Kaffee einschenkte. Adam nahm wieder Platz und begann zu trinken.
Er klopfte schon fast automatisch auf die Tasche seines Blazers, um sich zu vergewissern, daß die Ikone noch da war, zog sie heraus und betrachtete den heiligen Georg und den Drachen. Dann drehte er sie zögernd um und drückte einmal fest auf die Silberkrone, woraufhin die Ikone wie ein Buch auseinanderklappte und innen kamen zwei winzige Scharniere zum Vorschein.
Adam schaute zur Bäuerin hinüber, die seine Socken auswrang. Seine Unterhose hing bereits neben der Hose auf dem Trockengestell über dem Herd. Die Frau holte ein Bügelbrett aus einer kleinen Nische und begann es aufzustellen, ohne für Adams Entdeckung das geringste Interesse zu zeigen.
Er blickte auf die geöffnete Ikone, die flach vor ihm auf dem Tisch lag. Es war eine Situation voller Ironie – die Frau, die dort eben seine Hose bügelte, hätte jedes Wort der Urkunde verstehen können und wäre doch nicht in der Lage gewesen, ihm ihre volle Bedeutung zu erklären. Die Innenseite der Ikone war mit einer pergamentenen Urkunde bedeckt, die auf das Holz geklebt war und bis auf einen Zentimeter an die vier Kanten heranreichte. Adam drehte die Ikone ein wenig, um das Schriftstück genauer betrachten zu können. Die in schwarzer Tinte hingekritzelten Unterschriften am unteren Ende sowie die Siegel verliehen ihm das Aussehen eines vertraglichen Dokuments. Mit jedem Durchlesen erfuhr Adam etwas Neues. Es hatte ihn zunächst überrascht, daß der Text in französischer Sprache niedergeschrieben war, doch erinnerte er sich beim Anblick des Datums zum Schluß – 20. Juni 1867 –, an militärgeschichtliche Vorlesungen, denen zufolge die meisten internationalen Abkommen noch lange nach Napoleon auf französisch abgefaßt worden waren. Er las das Schriftstück ein weiteres Mal langsam durch.
Sein Französisch war nicht so gut, als daß er mehr als einige einzelne Wörter übersetzen hätte können. Unter die Worte Etats Unis – die Vereinigten Staaten also – hatte William Seward seine Unterschrift schwungvoll quer über ein Wappen mit einem zweiköpfigen Adler gesetzt. Daneben hatte Edward de Stoeckle unterzeichnet, unter einer Krone, die das genaue Abbild des silbernen Ornaments auf der Rückseite der Ikone war. Adam sah sich alles genau an. Es handelte sich eindeutig um eine Art Abkommen zwischen den Russen und den Amerikanern, das im Jahre 1867 durch Unterschrift besiegelt worden war.
Er suchte nach weiteren ihm begreiflichen Wörtern, um so vielleicht die Bedeutung des Dokuments entschlüsseln zu können. In einer Zeile war die Rede von » Sept millions deux cent mille dollars d’or (7,2 millions) – Sieben Millionen zweihunderttausend Dollar in Gold« – in einer anderen von » Sept cent dixhuit millions deux cent mille dollars d’ or (718,2 millions) le 20 Juin 1966 – also: Siebenhundertachtzehn Millionen
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